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(Virtual) reality
© Peter Schönau

"Synergy at Work", in "Chaos allerorten" wandelten die Mitarbeiter das Motto um. In der Zwischenzeit hat sich der Slogan wieder geändert. Heute bezeichnet der Konzern sich als "Die Wissensgesellschaft".

Dabei fällt mir nur ein Produkt des Unternehmens ein, das dieses Schlagwort rechtfertigte und dann im Müllschlucker für Flops landete, weil es zu teuer geworden war und zu wenig einbrachte.

Im Winter 1987/88 halfen wir mit, ein Produkt aus der Taufe zu heben, mit dem sich ein Menschheitstraum wie der Flug des Ikarus erfüllen sollte.

Die Idee war eine Ausgeburt des zu immer neuen Höhenflügen ansetzenden Zeitalters der Informatisierung, wobei wir damals noch gar nicht vorhersehen konnten, welche Fortschritte in Siebenmeilenstiefeln die Informatik zu vollbringen in der Lage war. München ist immer eine Reise wert, auch im Winter. Man merkt auf Schritt und Tritt, dass es die "Stadt der Bewegung" ist, alles ist im Fluss, alles dreht sich wie ein einem Malstrom, immer schneller und schneller, ständig neuen Rekorden entgegen. Deswegen bin ich manchmal ganz froh, wenn ich all die Adjektive einer grossen Zeit, in der wir (wieder einmal) leben, beiseite schieben und zwischen zwei Polen der Ruhe hin- und herpendeln kann: der Kleinen Komödie am Max und dem Restaurant "Zum Klösterl" mit seiner echt böhmischen Knoblauchsuppe und Tafelspitz mit Röstkartoffeln, bis zu dem es zu Fuss von der "Kleinen Komödie" nur wenige Minuten sind.

Der Menschheitstraum, den es zu verwirklichen galt, war die Überwindung des Sprachenbabels per Knopfdruck - die vollautomatische Übersetzung und, in einer ferneren Zukunft, die Vollendung der Kette von der Erkennung des gesprochenen Worts bis zu seiner Umsetzung in einen gedruckten Rülpser, aber bitte in jeder gewünschten Sprache, von A wie Afrikaans bis Z wie Zulu. top

Das ist eine Sisyphus würdige Aufgabe dachte ich befriedigt und deutschem faustischen Streben daher angemessen.

Doch zwei hervorstechende Merkmale des Menschen sind seine Ambivalenz und seine Ambiguität, und leider setzt sich dies auch in der Sprache fort, nicht nur in der deutschen. Entweder trugen wir diesem Umstand nicht genügend Rechnung oder wir unterschätzten seine Tragweite für unser Projekt.

Jedenfalls flossen immer mehr Millionen in die Entwicklung, ohne dass sich entsprechende Ergebnisse einstellten, ich meine in schnöden Zahlen als Gewinn oder Verlust oder zumindest Erreichen des "break even"-Punktes ausgedrückt. Doch als ich deswegen den Vorschlag machte, eine Anleihe bei George Orwell zu machen und "Neusprech" einzuführen, erntete ich nur hasserfüllte Blicke.

Schliesslich wurde dem Konzern die Schere zwischen Kosten und Ertrag zu gross, und irgend jemand im kaufmännischen Vorstand beschloss, das Projekt, das lange als ein sogenanntes strategisches Projekt gehegt und gehätschelt worden war, sterben zu lassen. Am besten geht so etwas heute durch "Outsourcing", das heisst man dient das faule Ei einem anderen an, der nicht clever genug ist, ein faules Ei an seinem üblen Geruch zu erkennen.

Was uns nicht daran hinderte, Microsoft bei einem Besuch in Redmond zwei bis drei Jahre später mit einem viel primitiveren Produkt der gleichen Gattung, das eine sehr gelobte Übersetzung eines Handbuchs lieferte, hereinzulegen. Allerdings erst, nachdem wir das System mit einem hundertprozentigen "Match" - wie die Fachleute sagen - des zu übersetzenden Textes gefüttert hatten (die Freude legte sich, als ich die Anwesenden über das von uns angewendete Verfahren aufklärte).

Trau, schau, wem = trust, show, whom!

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