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Wasser hat Balken
© Peter Schönau

Die Werft ist ein bunt zusammengewürfeltes Gemisch aus Hallen, Helgen, Docks, Kränen, Werkstätten, Lager- und Bürogebäuden, im Laufe der Jahrzehnte gewachsen wie ein Puzzle, dessen Muster noch nicht oder nicht mehr zu erkennen ist. Dank der einträglichen Sparte des Sonderschiffbaus hat sie bisher noch jede Konjunkturflaute überstanden, und solange U-Boote made in Germany gefragt sind, wird das wohl auch so bleiben.

Für die fremden Gäste, die Besatzungen und technisches Personal, sind irgendwann einmal Fertigbauten hochgezogen worden, zu denen ich ein- oder zweimal in der Woche mein Auto lenke, nachdem der Pförtner am Werktor meinen Ausweis mit dem richtigen Passbild und dem falschen Text flüchtig gemustert hat. Nach der Sicherheitsüberprüfung hat der Werkschutz die Passfotos von mir und meinem Partner vertauscht, so dass ich jetzt seinen Ausweis benutze, was ja eigentlich auch egal ist.

Die indischen Marineoffiziere sind sehr wissbegierig und machen im übrigen auf mich einen kompetenten Eindruck. Sie betreiben eingehende Grundlagenforschung, das heisst es interessiert sie nicht nur das U-Boot und seine komplizierte Technik, sondern alles, was auch nur im entferntesten damit zusammenhängt, bis zur Wasseranalyse der Kieler Bucht.

Ich frage mich manchmal, was bei Ablieferung der Boote tatsächlich noch geheim ist. Zwar haben wir eine VS-Clearance bis "Geheim", aber für diesen Auftrag hat niemand es für nötig befunden, auch nur eine Einstufung bis "Nur für den Dienstgebrauch" vorzunehmen.

Dieser Verfahrensweise entspricht, dass bisher noch keiner daran gedacht hat, mich bei Verlassen des Werftgeländes zu kontrollieren. top

Einmal im Monat treffen der Commander und ich uns, um unsere Abrechnung zu machen; die Bezahlung unserer Leistungen ist für ihn ein leider unvermeidliches Übel. Deswegen unterlässt er es nie, mich darüber aufzuklären, wie lange ein einfacher Inder für so viel Geld arbeiten muss. Wobei ich es meistens nicht lassen kann, ihn in aller Freundlichkeit darauf hinzuweisen, dass man viel in der Schubkarre fährt, wie es bei uns heisst, beziehungsweise viel ein relativer Begriff ist. Abgesehen davon jedoch, dass er seine Aufgabe, dem indischen Steuerzahler Kosten zu ersparen, sehr ernst nimmt, ist er ganz umgänglich. An einem Sonntag werde ich sogar zu einem echten indischen Essen eingeladen, was mir positiv den Unterschied zu einem indischen Restaurant vor Augen führt, das ich einmal besucht habe.

Unsere Bezahlung erfolgt durch die indische Botschaft in Bonn. Allerdings zieht sich die Begleichung unserer Rechnungen manchmal etwas in die Länge, und wenn der monatliche Eurocheque zu lange auf sich warten lässt, mobilisiere ich den Commander, den die Säumigkeit seiner Landsleute in Verlegenheit bringt und der gleichzeitig versichert, dass er unverzüglich bei der Botschaft intervenieren werde. Doch auch das hilft nicht immer, und so kommt es manchmal vor, dass ich mich mit dem Marineattaché der Botschaft verbinden lasse, um freundlich aber bestimmt die überfällige Zahlung anzumahnen.

Er scheint wirklich die einzige Instanz in diesem Dschungel zu sein, auf die Verlass ist, denn bisher ist unser Scheck einige Tage nach einem solchen Telefonat immer eingetroffen. Wenngleich mir der Marineattaché bei dieser Gelegenheit jedesmal zu verstehen gibt, dass Indien zwar ein sehr grosses Land, aber auch ein sehr armes Land sei.

Eigentlich sollte ich bei einer solchen Gelegenheit sagen, dass es dann vielleicht besser sei, auf den kostspieligen Bau von U-Booten zu verzichten. Aber das würde nicht nur gegen die guten Sitten verstossen, sondern wäre für uns auch geschäftsschädigend, und da man den Ast, auf dem man sitzt, nicht absägen soll...

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