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Sand im kalten Getriebe des Marktes

DIE REDAKTION

Es soll der Ökonom Milton Friedman gewesen sein, der einmal festgestellt hatte, es gebe nur zwei wirklich kapitalistische Länder: die USA und die Schweiz. Der Mann hatte Recht. Das belegt nicht zuletzt die Tatsache, dass es den einheimischen Predigern des Neoliberalismus regelmässig schwer fällt, die beklagte Unelastizität des Arbeitsmarktes, die angebliche Überregulierung, die fehlende Kompetitivität der Wirtschaft oder die mangelhafte Innovationsfähigkeit in concreto zu belegen. Die Schweiz gilt nach wie vor weltweit als Musterökonomie. Daran ändern auch die minimalen Wachstumsraten der letzten Krisenjahre nichts - zumal sie immer noch das höchste Niveau als Ausgangsbasis haben. Die Schuld an der Wachstumsschwäche ist zudem weitgehend den neoliberalen Markt-Schreiern selbst und diesen nahestehenden politischen Zeitgeist-Surfern zuzuschreiben: Wer dauernd Zukunftsängste schürt, indem er bei Löhnen, staatlichen Investitionen, Sozialversicherungen und Arbeitsplätzen spart und ein solches Konzert mit einer falschen Geld-, Zins- und Kreditvergabe-Politik begleitet, darf sich über fehlendes Wachstum nicht beklagen.

Auf diese Fehler ist es wohl zum Teil zurückzuführen, dass die erzkapitalistische Schweiz 1997 eine minimalste Kürzung bei der Arbeitslosenversicherung abgelehnt hat - eines der überraschendsten Abstimmungsresultate der letzten Jahre. Der entfesselte Markt hat eine Renaissance der Solidarität geschaffen. Milton Friedman hatte sicher recht mit seiner Beurteilung der Schweiz, aber hat nicht daran gedacht, dass dieses Land auch die direkte Demokratie kennt - Sand der Solidarität im kalten Getriebe des Marktes.