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Flugplatz Belpmoos:
4x Nein zum (un)heimlichen Ausbau

VON PROF. JOST KRIPPENDORF

1. Alles läuft auf einen weiteren Ausbau des Flugverkehrs auf dem Belpmoos hinaus und widerspricht dem Volkswillen.

Alle infrastrukturellen und betrieblichen Neuerungen rund um den Flughafen Belpmoos, die Gegenstand öffentlicher Diskussionen und von Bewilligungsverfahren sind, wie   

stellen im Ergebnis – unabhängig von den vorgebrachten Argumenten – einen Ausbau des Flugverkehrs dar, das heisst sie schaffen (bessere) Voraussetzungen für Mehrverkehr.

Der Ausbau des Flugverkehrs widerspricht dem ausdrücklich geäusserten Volkswillen (kantonale Abstimmung gegen den Ausbau des Belpmoos von 1983). Da sich der gewerbsmässige Flugverkehr auf dem Belpmoos seit dem Volksverdikt mehr als verdoppelt hat, ist die Stimmung in der Bevölkerung gegenüber dem Flugverkehr weiter auf Sinkflug. Viele fühlen sich zunehmend betrogen und verschaukelt.

2. Der Ausbau des Flugverkehrs auf dem Belpmoos begünstigt die privaten wirtschaftlichen Interessen von Wenigen und vernachlässigt die Schutzinteressen der Vielen.

Der Flugverkehr auf dem Belpmoos liegt nicht im überwiegenden Interesse der Berner Bevölkerung als Ganzes, sondern im Interesse relativ weniger privater Nutzniesser. Die Bevölkerung hat die Nachteile, vor allem die zunehmende Umweltbelastungen und den Lärm zu ertragen. Diese stehen in keinem Verhältnis zum geringen Nutzen für die Bevölkerung.

Der Flugverkehr auf dem Belpmoos stellt täglich für einige hundert Passagiere eine Annehmlichkeit dar und bietet zudem einigen hundert Menschen einen Arbeitsplatz. Er ist aber gleichzeitig täglich für einige hunderttausend Menschen in der Region und für Zehntausende von Menschen in den besonderes betroffenen Anliegergemeinden eine Quelle von unannehmbaren Nachteilen in Form von gesundheitsschädigenden Umweltbelastungen und Lärm, ohne dass für sie daraus auch nur ein einziger Vorteil resultierte. Das Missverständnis von Kosten und Nutzen ist frappant.

Der regionalwirtschaftliche Nutzen des Flugverkehrs auf dem Belpmoos ist auch bei sehr positiver Bewertung der entsprechenden Effekte (zum Beispiel Annahme einer hohen sogenannten Multiplikator-Wirkung) relativ unbedeutend. Die Anzahl der direkt geschaffenen Arbeitsplätze und der indirekt induzierten Arbeitsplätze (Zulieferer, Hotellerie und dergleichen) ist relativ bescheiden. Der Flughafen Belpmoos gehört gemäss einer Umfrage des Handels- und Industrievereins Bern zu den am wenigsten wichtigen Faktoren des Wirtschaftsstandortes Bern (Rang 26 aller Standortfaktoren).

Erweitert man die Betrachtung der Auswirkungen des Flughafens Belpmoos auf die nationale Ebene der schweizerischen Volkswirtschaft, so reduzieren sich seine Nutzeffekte drastisch weiter. Der Flughafen Belpmoos generiert, nationale gesehen, nur einen unbedeutenden zusätzlichen Flugverkehr. Das heisst im Klartext: Der grösste Teil des Passagierverkehrs, der heute das Belpmoos berührt, würde auch ohne den Berner Flughafen stattfinden. Er würde sich der Infrastruktur der nahe gelegenen Flughäfen Zürich, Genf und Basel bedienen oder unter Umständen auch auf den Bahnverkehr umsteigen (vgl. dazu auch Punkt 3.). Dies gilt insbesondere auch für den Tourismus in die Stadt Bern und ins Berner Oberland, der oft zur Begründung des Ausbaus des Belpmoos herangezogen wird. Selbstverständlich kann es mit gezieltem Marketing gelingen, einen gewissen zusätzlichen Verkehr nach dem Belpmoos zu generieren. Doch die Aussage bleibt gültig, dass dieser Anteil am gesamten Verkehrsvolumen unbedeutend ist und keinem Bedarf entspricht.

Punkt 2. lässt sich wie folgt zusammenfassen: Es handelt sich beim Ausbau des Flugverkehrs auf dem Belpmoos geradezu um ein Paradebeispiel ungerechter Verteilung von Kosten und Nutzen nach dem Motto "Privatisierung des Nutzens und Sozialisierung der Kosten". Das Ungleichgewicht zwischen der Begünstigung privater wirtschaftlicher Interessen und der Vernachlässigung öffentlicher Schutzinteressen ist krass.

3. Der Ausbau des Flugverkehrs auf dem Belpmoos widerspricht anerkannten Grundsätzen einer nachhaltigen Verkehrspolitik, wonach Kurzstreckenverkehr auf die Schiene gehört.

Der Ausbau des Flugverkehrs auf dem Belpmoos ist ein verkehrspolitischer Unsinn. Es entspricht einem anerkannten Grundsatz einer nachhaltigen Verkehrspolitik, dass der europäische Kurzstreckenverkehr, inklusive des Zubringerverkehrs zu den Flughäfen, vor allem aus ökologischen aber auch aus wirtschaftlichen Gründen auf die Schiene gehört. Die Schweiz ist das Land, das, gemessen an seiner Fläche, mit drei Anlagen die grösste Zahl interkontinentaler beziehungsweise kontinentaler Flughäfen besitzt und überdies das bestausgebaute öffentliche Verkehrsnetz der Welt aufweist.

Es ist ökologisch unverantwortlich und volkswirtschaftlich absurd, die Milliardeninvestitionen, die in die weitere Verbesserung des schweizerischen und europäischen Eisenbahnnetzes gestreckt werden, mit einem völlig unnötigen Regionalflughafen zu "konkurrenzieren". Irgendwelche Prestigeüberlegungen (zum Beispiel "Bern als Bundeshauptstadt braucht einen ausgebauten Flughafen und einen leistungsfähigen direkten Anschluss an den internationalen Flugverkehr") sind völlig irrational.

4. Der Ausbau des Flugverkehrs auf dem Belpmoos spielt sich nach dem bekannten Muster eines sich fortwährend selbst verstärkenden Wachstumskreisels ab – ein "Engpassüberwindungsautomatismus" ohne Ende.

Jede infrastrukturelle oder betriebliche Ausbau-Massnahme rund um den Flughafen Belpmoos, so unschuldig sie im einzelnen vielleicht daherkommen mag, ist immer Teil eines sich selbst verstärkenden Spiralprozesses, den man auch den Teufelskreis des quantitativen Wachstums nennen kann. Er ist durch einen zwangshaften "Engpassüberwindungsautomatismus" gekennzeichnet. "Salamitaktik" ist dafür ein viel zu harmloser Ausdruck. Es gilt jetzt endlich, diese Logik zu durchschauen und zu durchbrechen.

Der "Engpassüberwindungsautomatismus" am Beispiel des Belpmoos funktioniert etwa so: Am Anfang steht vielleicht ein behauptetes Bedürfnis der Nachfrage nach mehr Leistung und Komfort auf dem Belpmoos —> daraus wird abgeleitet, dass die Flugpiste zu kurz ist und die Flughafengebäude und Abfertigungsanlage veraltet und zu klein sind und dringend saniert werden müssen (die Forderung nach einer Verlängerung der behaupteten zu kurzen Piste wird vorerst abgelehnt), die entsprechenden Anlagen werden erweitert und, in weiser Voraussicht, wird eine genügende Reserve eingebaut —> zur besseren Auslastung der Anlagen und der Fluggeräte werden nun verkaufsfördernde Massnahmen ergriffen, der Flughafen wird professionell vermarktet —> der Flughafendirektor kann es als Erfolg verbuchen: Die Nachfrage nimmt zu, dynamische junge Fluggesellschaften zeigen sich immer interessierter mit dem Flughafen Belpmoos zusammenzuarbeiten —> sie orten gestiegene Bedürfnisse und stellen Gesuche, weitere Destinationen anfliegen zu können um ihr Angebot abzurunden —> sie erhalten die Bewilligung und verstärken ihr Marketing —> es erfolgt ein neuer Entwicklungsschub —> die Betreiberin des Flughafens hat einen weiteren Engpass ausgemacht: Die bisherigen Betriebszeiten sind ein Hindernis um den Passagieren optimale Anschlussmöglichkeiten an das internationale Flugnetz zu bieten. 1995 wird eine erste Verlängerung der Betriebszeiten bewilligt. Zwei Jahre später stellt die Betreiberin das Gesuch, die täglichen Betriebszeiten für Linienflugzeuge um zwei Stunden zu verlängern, von 6 bis 23 Uhr (statt von 7 bis 22 Uhr). Einigen eiligen Geschäftsleuten sollen damit ein paar zusätzliche Anschlüsse offeriert werden können. —> Der nächste Engpass und sogenannter Sachzwang wird auch schon aufs Tapet gebracht: Nun ist die Flugpiste endgültig zu kurz! Wenn Bern den Anschluss an Europa nicht verlieren will, muss die Flugpiste nach europäischen Normen ausgebaut sein, das heisst muss verlängert werden —> usw. usw.

So etwa verlief die Entwicklung des Belpmoos vom Flugplatz zum Flughafen und so wird sie weiter verlaufen, wenn wir nichts ändern. Allen anderslautenden Beteuerungen zum Trotz ist weiteres Wachstum des Flugverkehrs auf dem Belpmoos vorprogrammiert. Wie gezeigt, spielt es sich Schritt für Schritt, von einem sogenannten "Sachzwang" zum andern, gewissermassen automatisch ab. Die Prognosen über die weitere Entwicklung des Flughafens in Europa (Verdoppelung bis Verdreifachung in den nächsten 20 Jahren) werden diesen Prozess weiter begünstigen.

Am Schluss wird niemand, ausser vielleicht einigen wenigen unbelehrbaren Hardlinern, diese Entwicklung so gewollt haben. Aber wir werden das Rad nicht mehr zurückdrehen können. Ein weiteres wichtiges Stück Lebensqualität in Bern und seiner Umgebung wird irreversibel beeinträchtigt sein. Es sei denn, wir fangen jetzt an, aufzuhören, jetzt!

Es bleibt nach sorgfältiger Abwägung aller Argumente kein einziger haltbarer Grund, der die Ausdehnung der Betriebszeiten, noch die Pistenverlängerung, noch weitere Verkehrsausbau-Massnahmen auf dem Belpmoos rechtfertigen würde.


Meine Forderungen:

Ich fordere die Bewilligungsbehörden auf, die Güterabwägung sorgfältig vorzunehmen, im Interesse der Gesamtbevölkerung und des Gemeinwohls zu entscheiden und sämtliche laufenden und künftigen Gesuche für einen weiteren Ausbau des Flugverkehr auf dem Belpmoos, namentlich auch die jetzt anstehende Verlängerung der Betriebszeiten, abzulehnen.

Ich richte das gleiche Ansinnen an die Behörden der besonders betroffenen Gemeinden und fordere sie auf, die Interessen der überwiegenden Zahl ihrer Bürgerinnen und Bürger in dieser Frage nachhaltig und kompromisslos zu vertreten und sich entschieden gegen jeden weiteren Ausbau des Flugverkehrs auf dem –Belpmoos zu wenden.

 

Prof. Dr. rer. pol. Jost Krippendorf hat gestützt auf dieses Argumentarium am 25. Januar beim Amt für öffentlichen Verkehr des Kantons Bern beantragt, das Gesuch der Alpar AG um Verlängerung der Betriebszeiten auf dem Belpmoos vom 28. November 1997 abzuweisen