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Gepanzerter Einkaufswagen für etwas Gemüse

 

VON PETER SCHÖNAU
© Peter Schönau

Buenos Aires. - Schenkt man den letzten Umfragen Glauben, ist für die meisten Argentinier das derzeit grösste Problem die ständig zunehmende Kriminalität, die mangelnde öffentliche Sicherheit. Doch auch die immer rasanter steigende Inflation kristallisiert sich in der öffentlichen Wahrnehmung zu einem der Hauptprobleme des Landes heraus.

Jeder Vierte der befragten Personen ist schon einmal Opfer eines Überfalls geworden. Selbst die «Countrys», geschlossene Gesellschaften, Wohnanlagen der Wohlhabenden, die Tag und Nach von einem privaten Sicherheitsdienst bewacht werden, werden immer häufiger Opfer von Überfällen, deren Merkmal unter anderem ist, dass sie immer brutaler werden und immer öfter unter Beteiligung von Minderjährigen erfolgen. Und die Preise laufen der Bevölkerung davon, vor allem Dinge im Bereich der Grundnahrungsmittel, was die Armen naturgemäss härter trifft als die besser Verdienenden. Niemand glaubt mehr an die verordnete Inflation, welche die Regierung die Statistikbehörde durch manipulierte Messmethoden verbreiten lässt. Heute weiss praktisch jedes Kind, dass sie nicht, wie von der Regierung behauptet, höchstens zehn Prozent im Jahr beträgt, sondern eher bei 20 Prozent liegt.

Aber wie immer in solchen Fällen entwickelt sich eine besondere Art von Galgenhumor. Als Kostprobe mag der neueste Witz dienen, der in Buenos Aires grassiert. Zwei Bekannte treffen sich auf der Strasse. Der eine hat gerade eine Gemüsehandlung verlassen und zieht einen Einkaufswagen auf Rollen hinter sich her, der das Interesse des anderen erregt. Der fragt erstaunt: «Hast du einen Safe gekauft?» und weist auf den Einkaufswagen. «Gepanzert, kugelsicher, Schloss mit siebenfach gesicherter Kombination. Gestern hat mich der Polizist an der Ecke angehalten und mir geraten, aus Sicherheitsgründen nicht mehr mit irgendwelchen Wertgegenständen auf die Strasse zu gehen.» Sein Bekannter schüttelt verwundert den Kopf. «Aber du hast keine Rolex, keinen BMW, trägst keinen Schmuck. Was beförderst du also in diesem Safe, das so wertvoll ist?» Der andere weist auf die Gemüsehandlung. «Ich habe gerade zwei Kilo Kartoffeln und ein Kilo Tomaten gekauft.»

Dieser Text ist auch in der Zeitung «Die Südostschweiz» in der Rubrik «Boulevard» erschienen

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