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Skandal um bayrische Staatsregierung:
Kinderpornos sind frei zugänglich

VON HEINZ FASSBENDER
tv.journalistenbuero.de

Bei Bayern – Online, der Telekommunikationsinitiative der bayerischen Staatsregierung sind pornographische Kinderbilder für jeden frei zugänglich. Das meldet die Computerzeitschrift PC – Direkt in ihrer aktuellen Ausgabe. Besonders delikat, so das Blatt, die Einwahltechnik und den Server betreibt und finanziert der Bayerische Rundfunk.

In einem Test habe man nach zwei Minuten mühelos entsprechendes Bildmaterial entnehmen können. Das erste Foto zeige einen "widerwärtigen Fettwanst, der sich an einem kleinen Kind vergeht, das nicht älter als neun Jahre sein dürfte".

Durch Bayern – Online hat jeder Bürger im Freistaat die Möglichkeit einen Zugang fürs Internet zu bekommen. Die Gesamtleitung des Bürgernetz – Dachverbandes e.V. wiederum obliegt dem bayerischen Staatssekretär für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst, Rudolf Klinger.

Der stellvertretende Vorsitzende des Bürgernetz - Dachverbandes e.V., Bertram Gebauer, betrachtete die Vorveröffentlichung von PC-Direkt als massive Rufschädigung. Man beabsichtige zu prüfen, ob die Auslieferung der Ausgabe durch einstweilige Anordnung gestoppt werden könne. Der Bürgernetz - Dachverband e.V. sei durch die bayerische Landesregierung initiiert worden, um den Wirtschaftsstandort Bayern zu fördern. Der Rechner würde durch die Bayerische Akademie der Wissenschaft betrieben und durch das örtliche Landeskriminalamt auf pornographische Darstellungen ständig überwacht. In einer ersten Stellungnahme forderte er die Rechercheure des Blattes auf, ihre Rechercheergebnisse dem Ministerium für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst, sowie dem Landeskriminalamt zugänglich zu machen.

Stimmen die Recherchen der Zeitschrift, müßte die bayerische Staatsregierung vor Gericht gestellt werden. Auch der Betreiber müßte zumindest in Bayern mit erheblichen Sanktionen rechnen. Grund: Verbreitung von Pornographie im Internet. Erst Ende Mai hat ein Münchener Gericht den Ex-Compuserve-Chef Felix Somm zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt, weil er es unterlassen habe pornographische Inhalte aus dem Internet herauszufiltern. 

Um Schadensbegrenzung bemüht 

Der Skandal um frei zugängliche Kinderpornos bei Bayern-Online sorgt nach Bekanntwerden für Aufregung im Freistaat.

Bertram Gebauer, Beamter im Staatsministerium für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst und zugleich stellvertretender Vorsitzender des Bürgernetz – Dachverbandes e.V. teilte mit, daß das Konzept der Bürgernetze Aufgaben umfaßt, die mit der Aus- und Weiterbildung zu tun hätten. Diese Tätigkeit sei gemeinnützig und somit steuerbegünstigt. Die Ausbildungsaufgaben vor Ort würden in der Regel durch den "Förderverein Bürgernetz" wahrgenommen, der technische Betriebsteil allerdings durch einen nicht steuerbegünstigten Träger des Bürgernetzes. Im Falle des "Bürgernetzes München" - hier wurden die Kinderpornos durch Rechercheure der Computerzeitschrift PC-Direkt entdeckt - sei dies der Bayerische Rundfunk.

Der Dachverband, so Gebauer, organisiere lediglich die satzungsgemäßen festgelegten Weiterbildungsmaßnahmen. Prinzipiell könnten die lokalen Aktionsgruppen in eigener Verantwortung die Umsetzung des Bürgernetzgedankens in der jeweiligen Region selbst organisieren. Gebauer forderte erneut Jürgen Bruckmeier, den Chefredakteur von PC-Direkt auf, bei den nunmehr eingesetzten Ermittlungen alle Unterlagen offen zu legen. Nur so könnten die Schweinereien um den Kinderpornoskandal aufgeklärt werden.

Eine strafrechtliche Verantwortung der bayrischen Staatsregierung, die das gesamte Internetprogramm initiiert und massiv fördert, sieht Gebauer nicht. Auch der Bayerische Rundfunk wies jegliche Verantwortung zurück.

Die Frage, wieso erst Journalisten der Computerzeitschrift auf die kriminellen Bilder im Internet gestoßen seien, obwohl doch das Landeskriminalamt München jene Internetseiten ständig überwacht, konnten alle Beteiligten nicht beantworten.

Pikanterie am Rande: Alle Nachrichtenagenturen wurden durch Eilmeldungen über den Skandal unterrichtet. Eine Berichterstattung unterblieb bisher allerdings. Einzige Ausnahme ist die Schweiz - unter http://www.selezione.ch wurde die Meldung sofort veröffentlicht. 

In einer veröffentlichten Stellungnahme des Bayerischen Rundfunk bestätigte der Sprecher Rudi Küffner indirekt die Darstellung von PC-Direkt. So sei bis zum 06.07.1998 auf der Homepage des "Bürgernetz München e.V." ein Link auf einen Newsgroup Server "news.münchen.org" zu finden gewesen. Dieser Server ermöglichte den Zugang zu mehreren tausend Newsgroups weltweit. Unter diesen Newsgroups befinden sich auch solche, die bereits vom Titel spezielle Bilddateien enthalten. Unter dem Namen "alt.binaries.pictures.erotica.preteen" hat PC-Direkt die inkriminirenden Kinderporno-darstellungen auch entdeckt. Wie weiter versichert wurde, werden derartige Newsgroups (preteen = Kindesalter, unter 13 Jahren) durch Polizei-Sonderermittler und die Staatsanwaltschaft, aber auch durch die Universität, wo die Rechner des Servers stehen, ständig überwacht. Insoweit bliebe es ein Geheimnis des Chefredakteurs von PC-Direkt, wie er an die strafbaren Bildinhalte herangekommen sein will.

Auch das Landeskriminalamt München hat sich inzwischen eingeschaltet und den Chefredakteur Jürgen Bruckmeier gebeten, bei der Sachaufklärung behilflich zu sein. Die angesprochene Newsgroup ist den Ermittlern des Landeskriminalamtes (LKA) bekannt. Bruckmeier ließ mitteilen, daß nach Auslieferung des Heftes eine Zusammenarbeit mit den Sonderermittlern des LKAs München selbstverständlich sei. Den Verdacht, es handele sich um einen PR-Gag, um die Auflage seiner Computerzeitschrift in die Höhe zu treiben, wies der Chefredakteur weit von sich. Bei "kritischen Geschichten" ist dies ein beliebter Vorwurf, betonte Bruckmeier.

Staatssekretär Rudolf Klinger hält die Darstellung von PC-Direkt für "schlichtweg falsch". "Auf dem Server des Bürgernetzes München werden keine eigenen Newsgroups angeboten". Der Bürgernetzverband e.V., dem Klinger vorsteht, habe eine Kooperation mit dem Bayerischen Landeskriminalamt vereinbart, um kriminelle Inhalte im Netz, insbesondere kinderpornographische, zu bekämpfen. Dennoch räumt er ein, daß es Experten möglich ist, computertechnische Sperren zu überwinden. "Wer dies tut, kann aber nicht behaupten, mühelos an indiziertes Material heran zukommen", betonte Klinger. Gleichwohl könne er die Kritik am Compuserve-Urteil nachvollziehen. Das die Bürgernetze dabei jedoch in Mißkredit gebracht werden, bliebe ihm unverständlich. Weder die Staatsregierung und deren Partner – die Bürgernetze – werden Kinderpornographie verbreiten. Im Gegenteil: schon das Herunterladen von derartigen Darstellungen auf den eigenen PC sei nach §184 StGB mit strafrechtlichen Sanktionen belegt. 

Erster internationaler Internetbetreiber reagiert auf Rechtsunsicherheit in Deutschland 

Als erster globaler Internet-Carrier (Internet-Überwacher) zieht jetzt die PSINet Inc., der nach eigenen Angaben größte unabhängige Buissness Internet Service Provider mit Sitz in Herndon (Virgina/USA), aus der Rechtsunsicherheit um pornographische, gewaltverherrlichende und politisch rechtslastige Inhalte und Darstellungen, Konsequenzen. Die Verurteilung des ehemaligen Geschäftsführers des Internetanbieters CompuServe Felix Somm zu zwei Jahren Haft auf Bewährung, wegen Verbreitung pornographischer Inhalte, sowie aus der jüngsten Entscheidung des Münchener Oberlandesgerichts, das den technischen Betreiber einer Website für die darauf abgelegten Inhalte eines Reiseveranstalters, verantwortlich machte, ist nach Einschätzung eines Sprechers des Unternehmens in "erster Linie dem Gesetzgeber selbst zu anzulasten". Er habe es vermieden klare Richtlinien zu entwerfen. Die Gesetzgebungskompetenz zwischen Bund und Ländern würde faktisch die rechtliche Grauzone stützen. Aufgabe der Behörde sei es nicht gegen die technischen Anbieter bzw. Infrastrukturbetreiber vorzugehen, sondern gegen die Straftäter selbst. PSINet Inc. würde hierzu jedwede Hilfe anbieten, um Straftätern das Handwerk zu legen. Doch angesichts der Menge von mittlerweile über 100 Millionen Webseiten sei die Kontrolle durch den Provider weder zumutbar noch technisch durchführbar. Sie sei auch nicht wünschenswert, weil dies einer Zensur gleichkäme und die grundgesetzlich garantierte freie Meinungsäußerung konterkariert würde. In Staaten wie Singapur und China sei das noch üblich, aber Deutschland wäre doch ein demokratischer Rechtsstaat. Dennoch sei nach Analysen festgestellt worden, daß kriminelle Darstellungen und Inhalte weniger als 0,1% aller Webseiten weltweit ausmache.

Innerhalb von drei Monaten will das Unternehmen die vorhandenen Einrichtungen zur Speicherung und Zwischenspeicherung von Webinhalten von Deutschland ins europäische Ausland umsiedeln. Mit diesem Schritt wollt man "angesichts der Rechtsunsicherheit im deutschen Internet-Markt, sowohl das eigene deutsche Top-Management als auch die Führungskräfte der Kunden schützen", betonte ein Sprecher des Unternehmen.