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Kolumne vom 6. April 1999

Schön, wie die NLZ von einer «grossen Familie» schreibt, die an der Eröffnung des Löwengraben-Hotels in der Stadt Luzern teilnahm: Behörden und Betreiber Seite an Seite. Man könnte auch von Filz reden. Wie anders liesse sich sonst erklären, warum eine derart gigantische, das Ortsbild verschandelnde, stetig rauschende Lüftungsanlage aufs Dach gebaut werden konnte? Auf Anfrage bei der Planauflage erfährt man, dass dafür gar keine Baubewilligung vorliegt. Die werde im nachhinein eingeholt! Ja, dort ist man sich auch durchaus darüber im klaren, dass das gesamte Projekt erheblich von dem abweicht, was einst geplant war: Es handle sich halt um eine dynamische Angelegenheit, die «zugegebenermassen eine gewisse Eigendynamik entwickelt hat». So wurde im Laufe der Monate aus einem Jugendhotelprojekt mit Restaurant ein gar nicht so wahnsinnig billiges Hotel mit drei «Take away-Foodstations», einem Partykeller und anderen Räumlichkeiten für ständige Events wie «Houserunning» oder «Adrenalin-Triple». Und damit's noch ein wenig alternativ wirkt, soll auch Kultur Platz haben.

Soweit könnte das gewiss eine Bereicherung für Luzern sein - jedenfalls für jene, die solches mögen - und es wäre auch auszuhalten. Schliesslich ist man sich als Altstadtbewohnerin einiges gewöhnt. Ausserdem gehört es zum Leben einer Stadt, dass immer mal wieder etwas los ist. Nur: Von einem Tollhaus mit Disco war nun wirklich nie die Rede. Und das ist nicht mehr auszuhalten. Schliesslich besagen der Zonenplan und der Wille der Bevölkerung, dass in der Stadt auch noch gewohnt werden soll. Etwas mehr Toleranz bitte? Die individuelle Freiheit hört dort auf, wo sie auf Kosten Dritter geht. Dies ist bei einem Disco-Betrieb mit House-, Hip- oder anderem Hopper-Techno-Lärm zweifelsohne der Fall: Bis morgens um vier Uhr das dumpfe Hämmern der «Musik», das Johlen der Disco-Gäste auf der Strasse, das An-, Ab- und Vorbeifahren von Autos, Töfflis und Motorrädern. So geschehen am Karfreitag, am Samstag und am Ostersonntag. Und in Zukunft wird es zweimal pro Woche derart zu- und hergehen, wie der Veranstaltungskalender belegt. Hand auf Herz: Wenn das vor dem eigenem Schlafzimmer stattfindet, wie sieht es dann mit der eigenen Toleranz aus?

Offenkundig haben die Behörden während des Bauens alle immer schön weggeschaut. Kein Wunder: Die Denkmalpflege ist glücklich, dass der historisch bedeutungsvolle Gefängnisbau doch noch irgendwie sinnvoll genutzt werden kann, der Stadtarchitekt kümmert sich lieber um die Einheitlichkeit von Sonnenschirmen auf dem Reussquai, um nicht sein Lieblingsprojekt Löwengrabenhotel zu gefährden, und der Stadtrat legt den roten Teppich aus, weil er den Jugendtourismus fördern möchte. Derweil putzt die Politik publicityträchtig - weil kurz vor den Wahlen - die Kapellbrücke. Und die Quartiervereinspräsidentin der Altstadt kämpft um eine grössere Beschriftung des Luchsinger-Platzes, fordert eine Frosch-Statue beim Wasserkraftwerk und verschnörkelt die Stadt mit Blumen. Ja, das sind wirklich Probleme, die die Bevölkerung bewegen...