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Kolumne vom 19. April 1999

Rückt die Schweiz nach rechts? Der Wahlerfolg der Rechtspopulisten um Christoph Blocher in den Kantonen Zürich und Luzern und das überraschend schlechte Abschneiden der revidierten Bundesverfassung lassen dies vermuten. Doch ein Rechtsrutsch ist das Abstimmungsresultat vom 18. April nicht: Um Blocher scharen sich lediglich all jene rechtsreaktionären Kräfte, die bislang bei den Christdemokraten und den Freisinnigen den parteiniternen Frieden gestört und dort keine politische Heimat mehr gefunden hatten. So gesehen müsste die Flurbereinigung den bürgerlichen Parteien eigentlich gelegen kommen, erleichtert es doch die Weiterentwicklung der eigenen Programmatik.

Der Wahlerfolg der Schweizerischen Volkspartei verdeutlicht aber auch, dass politische Inhalte bei den Stimmenden eine zunehmend kleinere Rolle spielen. Zumindest im Kanton Luzern kann die SVP nämlich gar nicht aufgrund ihrer Leistung in der vergangenen Legislatur gewählt worden sein. Auch ihre Wahlkampfthemen waren - überprüft man sie auf politische Inhalte - falsch gesetzt: Der Slogan «Damit die Schuldenwirtschaft ein Ende hat» kann nicht überzeugen, wenn gleichzeitig der Finanzdirektor meldet, dass der Kanton wieder schwarze Zahlen schreibt. Und auch die Parole «Damit wir nicht Fremde werden im eigenen Land» ist angesicht des Kosovo-Flüchtlingselends ungehörig.

Der Zulauf in die Arme der Volksparteiler lässt sich aber auch nicht (allein) auf eine zunehmende Blödheit jener zurückführen, die an die Urne gehen. Die SVP agiert geschickt mit vorhandenen Ängsten und Unsicherheiten in der Bevölkerung - ohne allerdings politische Alternativen zu bieten. Doch Angst wovor? Die Arbeitslosigkeit geht zurück, die Rezession flacht ab, nationale Wirtschaftskrisen haben sich weit weniger schlimm auf den Finanzmärkten ausgewirkt als befürchtet und Umfragen zeigen, dass die Annäherung der Schweiz an die EU vom Volk mehrheitlich akzeptiert oder gar befürwortet wird. Bleibt noch die Überfremdung, die so neu ja nun auch wieder nicht ist. Den Leuten geht's gut, und doch haben sie Angst: Ein Paradoxon, das auch Meinungsbefragungen belegen.

Die seltsame Erscheinung beunruhigt vor allem die bürgerlichen Wahlkampfstrategen - und hat fatale Auswirkungen: Um bei den kommenden Nationalratswahlen nicht vollends ins Hintertreffen zu geraten, werden sie jetzt auch platter, lauter und undifferenzierter politisieren. Und mit Sicherheit werden die Freisinnigen als nächstes ein Nein zur Mutterschaftsversicherung und weiteren Sozialabbau beschliessen.