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Kolumne vom 5. August 2002

 Die denkwürdige Bundesratssitzung vor der Sommerpause schien nicht weiter spannend zu werden. Die für das Geschäft zuständige Ruth Dreifuss und das Bundesamt für Sozialversicherung legten dem Bundesrat ein Aussprachepapier vor, in dem für den Herbst eine genaue, bereits weit gediehene Analyse der Lage versprochen wurde. Das Papier schloss zudem eine Zinssenkung für den 1. Januar auf 3,5 Prozent nicht aus – allerdings erst nach genauem Studium der versprochenen Lageanalyse.

Diesem Arbeitsplan machten die für die Aufsicht über die Privatversicherer zuständige Ruth Metzler und Wirtschaftsminister Pascal Couchepin einen Strich durch die Rechnung: Metzler forderte einen sofortigen Beschluss des Bundesrates, den Mindestzinssatz ab 1. Oktober auf 3 Prozent zu senken, Pascal Couchepin wollte mit dem «Rentenklau» schon am 1. August beginnen. Schützenhilfe leistete der Finanzminister, der vor allem der fachlich wenig fundierten Metzler Argumentationshilfe leistete. Die in einem so genannten Mitbericht Metzlers vorgebrachten Gründe stammten nämlich eins zu eins aus dem Argumentarium der Lebensversicherer. Metzler hatte noch kurz vor der Bundesratssitzung mit Rentenanstalt-Boss Roland Chlapowski telefoniert und dabei zusätzliche Munition erhalten.

Inzwischen steht der Bundesrat und insbesondere sein jüngstes Mitglied im politischen Dauerregen, ist eine Rechtfertigungs-Pressekonferenz von Ruth Metzler kläglich gescheitert, haben sich von Christiane Brunner bis Christoph Blocher, von den Pensionskassenexperten bis zur Avenir Suisse alle zum Thema geäussert.

Der Streit um den Mindestzinssatz ist allerdings erst das Vorgeplänkel zu weiteren Schlachten um die Sozialversicherungen, die ab diesem Herbst geschlagen werden dürften: Der Kampf um den Umwandlungssatz beispielsweise, den Satz also, der die Höhe der Pensionskassenrente bestimmt. Heute sind es 7,2 Prozent; für 100'000 Franken Kapital erhält man also 7200 Franken Jahresrente. Dieser Satz droht auf 6,8 Prozent gekürzt zu werden. Oder die Absicht, bei der AHV einem Teil der Witwen die Rente wegzunehmen. Oder die Anpassung der AHV-Renten an die Teuerung und die Lohnentwicklung, die nur noch alle drei statt alle zwei Jahre erfolgen soll. Oder die von der Wirtschaft geforderte Heraufsetzung des Rentenalters auf 68 Jahre. Und bereits im November soll das Volk an der Urne darüber entscheiden, ob bei der Arbeitslosenversicherung die Bezugsdauer um 120 Tage gekürzt werden soll.

Das kann ja heiter werden im anstehenden Wahljahr. Der Streit um den Mindestzinssatz gibt den diversen Akteuren schon mal Gelegenheit, sich auf diese Auseinandersetzungen vorzubereiten, um die Befindlichkeit des (Wahl-)Volkes zu testen. Bleibt zu hoffen, dass das Volk erkannt hat, dass die Zeichen auf Strum stehen. Die Gewerkschaften jedenfalls haben auf den 31. August in Bern zu diesen Themen bereits eine Demonstration angekündigt.