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Kolumne vom 14. März 1999

«Die deutsche Politik sah lange nicht mehr so gut aus wie heute.» Dieser Satz steht über den Bildern eines neuen Hochglanz-Modemagazins, die Bundeskanzler Gerhard Schröder als Fotomodell zeigen - im Armani-Anzug, im Kaschmir-Mantel, im Designer-Hemd. Welch eine Ironie. Nicht weil Schröder mit seiner Politik nach dem Rücktritt Oskar Lafontaines alles andere als gut aussieht. Vielmehr ist es zynisch, wenn ein sozialdemokratischer Bundeskanzler im 4000 DM-teuren Mantel vor der Kamera posiert - derweil träumen Hundertausende von Arbeitslosen in seinem Reich von solch schönen Kleidern, ja von neuen Kleidern überhaupt.

Die Fotos erinnern unweigerlich an «des Kaisers neuen Kleider». Und als ob es Oskar war, der auf ihn gezeigt und gerufen hat: «Der Kanzler ist nackt.» Im Märchen hätte das Volk nun begriff, dass da gar keine linke Politik von der SPD gemacht wird, sondern nur noch die neuen flottierenden Mittelschichten, vor allem aber die Wirtschafts- und Atombosse umarmt werden. Im wahren Leben ist es anders. Alles wird nicht gut, sondern das meiste schlimmer. In der Politsprache nennt sich dies im Falle Schröders «Chance für einen Neuanfang». Bereits spielt es keine Rolle mehr, was der Sozialdemokrat und selbsternannte Privatmann Lafontaine über den Kaschmir-Kanzler sagt. Auch dann nicht, wenn er sich während Tagen - hinter verschlossenen Fensterläden - ein Botmot für ihn ausdenkt, das in die Geschichte eingehen dürfte: «Das Herz wird noch nicht an der Börse gehandelt, aber es hat einen Standort - es schlägt links.»