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 Offener Brief:
«Spontanen Gemeinschaft Luzerner Künstler»
zur Nichterneuerung des Vertrags von Ulrich Loock, Direktor des neuen Kunstmuseums Luzern

Die durchschnittliche Anstellungsdauer eines Fussballtrainers ist sehr kurz geworden. Wenn er mit seiner Mannschaft drei Spiele hintereinander verliert, wird er trotz Anstellungsvertrag entlassen. Ähnliche Mechanismen kennen wir auch aus der Wirtschaft: Gelingt es einem Manager nicht, schwarze Zahlen zu schreiben und dem Shareholder-Value Genüge zu tun -manchmal reicht auch schon der prozentuale Rückgang eines Gewinns - dann wird er fristlos entlassen, erhält eine grosszügige Abfindung und am nächsten Tag hat er sein Büro geräumt.

Obwohl der Kontext Kunst noch nie so grosse Identifikationsschwierigkeiten hatte wie heute und sich fortwährend an publikumswirksameren Kontexten wie Hollywood, Pop-Musik, Sport oder Wirtschaft orientiert, geht es beim Kontext Kunst noch immer etwas langsamer, schwerfälliger und gemächlicher zu. Denn die Verunsicherung ist gross, bei dieser Umorientierung sein eigenes Gesicht zu verlieren.

Kunst ist - per Definition - ein offener Bereich, frei von so genannt funktionalen oder sinnfälligen oder wirtschaftlichen Zwängen. Es ist ein Kontext des Mäzenatentums und der Grosszügigkeit Ein Ort, wo kritische Fragen gestellt und Formulierungen hervorgebracht werden» die verunsichern und zum Nachdenken anregen. Die Unentschiedenheit darüber, was heute der Kontext Kunst ist oder sein sollte aber hat ihn - statt ins Zentrum der Wahrnehmung -in ein tiefes Vakuum geführt. top

Lahmend und neutralisierend

Die Kunstgesellschaft und das Kunstmuseum Luzern befinden sich seit über zehn Jahren in diesem Vakuum» Eigentlich ist es die Absicht des Vorstands, sich mit den Aktivitäten des Museums ins Weltgeschehen der Kunst ein zu loocken, andererseits fehlt es fundamental an finanziellen Kräften und grosszügiger Unterstützung* um nur im Entferntesten an eine solche Absicht zu denken.

Das Kunstmuseum Luzem ist seit den späten 80er-Jahren eine träge und zaghafte Institution. Eine Institution mit einem Vorstand, der sich lieber selbst lahmt und neutralisiert, als sich anregt oder antreibt, das Mögliche oder vielleicht sogar Unmögliche zu wagen. Dieser Um-stand hat dazu geführt, dass in den letzten zehn Jahren drei Direktoren und zwei Präsidenten aus dem Amt gedrängt wurden.

Das jüngste Opfer? Ulrich Loock, wurde vor gut drei Jahren zum Direktor des Kunstmuseums gewählt, erhielt die drei ersten Jahre ein Provisorium ohne wesentliches Ausstellungsbudget und musste gleichzeitig auf kunstpolitischer Ebene das neue Kunstmuseum Luzern im Nouvel-Bau KKL vorantreiben. Man hat ihm nun gerade ein halbes Jahr - oder anders gesagt - zwei Ausstellungen lang Zeit gegeben, sich in den neuen Räumen des Museums einzuleben und einen Ort der Kunst zu kreieren.

Heute zählen die erwirtschafteten Zahlen der Kunst: Das Werk oder der geistige Raum der Kunst sind sekundär geworden Fs geht nicht mehr um Kunst, es geht um das Event der Kunst und umdie gleichzeitig demokratische Aufteilung der Möglichkeiten an die unterschiedlichen Interessenvertretungen. Kunst ist nicht mehr Kunst, sondern Image und Kapitalisierung der Veranstaltungen.top

Verunsicherer höchster Güte

Ulrich Loock war diesem Fortgang der Mechanismen, der in Grossstädten schon vor Jahren eingesetzt hat und vor den Toren Luzerns - in Zürich - seit einiger Zeit auch ein bedrohliches Vorbild hat, nicht gewachsen. Ulrich Loock ist ein Verfechter der Kunst, ein Verunsichcnmgs-faktor, der frank und frei seine Meinung äussert, der die Bedingungen des Visuellen zu hinterfragen versucht, die Macher fortwährend an ihren Taten packt und sie herausfordert. Resultat: Die Zuschauer werden ihres Spektakels beraubt, die Künstlerinnen und Künstler um ihre Selbstgefälligkeit gebracht, die Mäzene ihres Mehrwerts an gesellschaftlichem Image geprellt und die Regierung ihrer griffigen Anbiederungsmethoden beraubt. Die Künstler sind t verärgert, die Mäzene wechseln den Kontext und die Politiker drehen den Geldhahn zu.

Ulrich Loock war ein integrer Direktor, unangenehm und hart im Auftritt^ aber immer verliebt in die Kunst und ihre Fragestellungen. Ulrich Loock war ein Urgestein, ehrlich, offen und stur, radikal und zart, beleidigend und stimulierend, ein Verunsichere! höchster Güte. Hier in Lu/,cm ist er gescheitert, weil ihm der Rückhalt des Vorstands fehlte. Einsam versuchte er seine Philosophie der Kunst ins Bild zu setzen, und er hat, wie der unglückliche Fussball-traincr, drei Spiele hintereinander verloren. Er hatte nicht die Zeit, die Raffinesse seiner Philosophie /u tosten, zu veredeln, umzusetzen und zu vermitteln. Was bleibt, ist ein grosses Fragezeichen. Wieder einmal musste ein Macher gehen, weil ihn seine Aufsicht - ein hilfloses und schwaches Häufchen Vorstand - wie eine heisse Kartoffel fallen Hess.

Ein grosses Loch ist entstanden. Wer wird es stopfen und kitten? Welches Anforderungspro 111 verhilft uns zu dieser Person? Wer ist kompetent, dieses Profil zu erstellen und diese Person anschliessend zu finden? - Der Vorstand? Walter Graf? Daniel Huber? Rosie Bitterli? Carla Schwöbel? Markus Hüfiker? Max Wechsler? Hans-Peter von Ah? Daniele Marquez? Barbara Jäggi? top