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Wenn der Mensch die Katze niesen lässt
Für viele Menschen sind Haustiere nicht geliebte Wegbegleiter, sondern gefürchtete Allergieauslöser. Doch es geht auch anders herum: Wissenschaftler haben festgestellt, dass der Mensch und sein Lebensstil eine Ursache für Allergien bei Tieren sein können – vor allem bei Katzen und Hunden.
Von Vera Bueller / 29. April 2018
Herr von Bödefelds Haut ist trocken und schuppig, an einigen Stellen gerötet, an anderen schon stark entzündet – und es juckt überall, als ob die Haut brennen würde. Da hilft alles Kratzen nichts; im Gegenteil: Es verschlimmert die Neurodermitis. Genauso wie bei Kindern, die unter Allergien leiden. Herr von Bödefeld ist allerdings ein Hund. Und er ist nicht gegen Milben und Pollen allergisch sondern gegen Menschen. Denn auch der Mensch kann Allergene produzieren. «Es sind die Proteine in den Hautschuppen, die allergische Reaktionen auslösen können», erklärt der Tiermediziner Prof. Ralf Müller in München. Er leitet die Dermatologie- und Allergologie-Abteilung der medizinischen Kleintierklinik der Ludwig-Maximilian-Universität und beschäftigt sich seit Jahren in Theorie und Praxis mit der so genannten Menschenallergie: «Wir machen bei Pferden und Katzen, vor allem aber bei Hunden entsprechende Blut- und Hauttests. Und da gibt es tatsächlich Reaktionen auf menschliche Hautschuppen».
Mit seiner Forschung ist er nicht alleine: Längst befassen sich Human- und Veterinärmediziner an internationalen Allergiekongressen mit der Vorsorge, Diagnose und Therapie von Allergien bei Tieren im Zusammenspiel mit dem Menschen. So auch der Wiener Universitätslektor für Veterinärdermatologie Otto W. Fischer: «Ich würde sagen, dass von 100 allergischen Hunden und Katzen zwei bis drei auf Menschen allergisch sind.» Rechnet man andere Haustiere, Vögel und Pferde hinzu, so reagiert jedes zwanzigste allergische Haustier empfindlich auf den Homo sapiens, bekommt Husten, Dauerniesen oder Juckreiz sobald Menschen ihnen zu nahe kommen. Bei Katzen sind die Atemwege häufiger betroffen, während Hunde fast immer «nur» unter Juckreiz leiden. Das berichtete der Deutsche Allergie- und Asthmabund (DAAB) schon vor zehn Jahren.
Eine Debatte losgetreten
Damit hatte der DAAB eine Debatte unter Allergie-Forschern losgetreten, die noch immer andauert. Denn die Diagnose Allergie zu stellen, ist alles andere als einfach: Sie ist ein «Abarbeitungsprozess», bei dem man mit kriminalistischem Spürsinn vorgehen muss. So müssen nach und nach alle denkbaren Verursacher einer Allergie ausgeschlossen werden. Hunde und Katzen können zum Beispiel gegen Hausstaubmilben, Flohspeichel oder Bestandteile von Futtermitteln allergisch sein; die Büsis auch noch gegen Katzensand, Vogelfedern oder Mückenstiche. Doch wie erfasst man den Menschen als Allergie-Auslöser? Ralf Müller ist sich des Problems bewusst: «Wir können einen Hund nicht in den Wald schicken und schauen, ob es ihm alleine, ohne Menschen, besser geht.» Deshalb könne man höchstens Vermutungen anstellen und Wahrscheinlichkeiten berechnen. Etwa dann, wenn die Symptome nur auftreten, wenn das Tier für längere Zeit mit seinem Besitzer zusammen ist und vollständig verschwinden, wenn es sich einige Tage bei einer anderen Person aufhält. Vorausgesetzt, das Tier ist gegen die andere Person nicht auch allergisch.
Der absolute Nachweis, dass eine Menschenallergie vorliegt, kann also gar nicht erbracht werden? «Nur bedingt. Aber ich stelle das Ganze deswegen nicht – wie einige meiner Kollegen – komplett in Frage. Ich finde es auch absolut logisch, dass Tiere gegen Menschenepithel (Zellschicht der Haut) allergisch sein können.» Allerdings reagierten die von ihm getesteten Tiere immer auch auf andere Stoffe. Deshalb könne er natürlich nicht ausschliessen, dass die Tests manchmal falsch positive Ergebnisse lieferten. «Wir versuchen jedoch immer die Frage zu beantworten: Wie relevant ist welcher Auslöser für die Allergie?»
Mit dieser Frage haben sich auch Wissenschaftler am Hospital for Small Animals der University of Edinburgh beschäftigt. Dabei ging es um Katzen und Asthma. Als Auslöser hatten die Forscher Mykoplasmen im Verdacht. Mykoplasmen sind winzige Bakterien, die nicht von einer Hülle umgeben sind. «Bei meiner Studie ging es im Kern also nicht um die Frage, ob Asthmakatzen auf Menschen und dessen Lebensstil allergisch reagieren können – das wurde erst im Laufe der Untersuchung quasi aufgrund eines Zufallbefundes zum Thema», sagt die Biologin Nicki Reed, die die Schottische Studie geleitet hat.
Katzensthma weit verbreitet
Während es beim Hund kaum bekannt ist, dass eine Allergie auch Asthma auslösen kann, «ist Katzenasthma eine weit verbreitete Krankheit, an der etwa eine von 200 Katzen leidet», erklärt Reed. In ihrer Studie hat die Biologin dann überraschend festgestellt, dass das Leben für die Asthma-Katzen zur regelrechten Qual werden kann, sobald sie von einem Menschen gestreichelt und gekrault werden. Dann werden die Proteine der Hautpartikel auf das Tier übertragen, das – neben dem bestehenden Asthma – mit Schnupfen, Niesanfällen oder Juckreiz reagiert. «Staub und Rauch verschlimmern die Symptome. Am empfindlichsten reagieren Siamkatzen», hat Nicki Reed festgestellt.
Claude Favrot, Leiter der Abteilung Dermatologie für Kleintiermedizin der Vetsuisse-Fakultät der Universität Zürich, gehört zu jenen Wissenschaftlern, die die Menschenallergie-Hypothese in Frage stellen: «Ich finde die Interpretation der Schottischen Studie äusserst fragwürdig – jedenfalls fehlt der Beweis, dass die getesteten Katzen wirklich nur auf das menschliche Epithel allergisch waren. Sie waren es nämlich auch auf andere Reizstoffe wie Staubmilben und Pollen. Es waren also ganz einfach Allergiker. Und man weiss somit nicht, was und wer hauptsächlich schuld ist.» Doch auch er räumt immerhin ein, dass es Tiere geben könne, die gegen Menschen allergisch sind.
Dennis Turner, der renommierte Katzen-Verhaltensforscher, hat mit der Diagnose Menschenallergie ebenfalls seine liebe Mühe. «Ich habe schon von manch einem Blödsinn gehört, der angeblich aufgrund irgendwelcher Studien behauptet wurde», bemerkt er schmunzelnd. «Ich bin allerdings kein Tierarzt, sondern Verhaltensforscher.» Primär solle man aber auf jeden Fall abklären, ob nicht Produkte, die die Menschen benutzen – wie Deos, Parfum oder Shampoos als Allergieauslöser in Frage kommen. Und falls dann tatsächlich der Menschen als Ursache übrig bleibe, befürchtet er, «dass unter dem Vorwand meine Katze ist allergisch auf mich noch mehr Katzen einfach ausgesetzt werden könnten.»
Sind auch Menschen auf Menschen allergisch?
Dabei könne der Mensch einiges dazu beitragen, der allergischen Katze (oder dem Hund) das Leben zu erleichtern: «So sollte das Tier nicht im Bett schlafen, in dem sich besonders viele menschliche Hautschuppen befinden. Und wenn Rauch und Staub tatsächlich die Symptome verschlimmern, muss der Besitzer oder die Besitzerin eben auf das Rauchen verzichten». Ausserdem sollte man stets gründlich staubsaugen (am besten mit einem Allergiestaubsauger) und auf die eigene Hautpflege achten. Denn trockene Haut neigt verstärkt zum Schuppen, so dass die allergieauslösenden Proteine leichter verteilt werden.
Für die von Menschenallergie betroffenen Katzen mag es ein – allerdings schwacher – Trost sein, dass sogar Menschen auf Menschen allergisch sein könnten, wie Allergologen vermuten. «Ich halte es durchaus für möglich, aber bewiesen hat das bisher noch niemand», meint beispielsweise Professor Johannes Ring vom Haut- und Laserzentrum in München. «In den meisten Fällen ist es aber so, dass die Leute nur glauben, sie seien allergisch auf ihren Partner oder ihren Chef. Und in Wahrheit sind sie allergisch auf etwas, das der andere an sich trägt.»