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1 Schritt zurück Inhalt Gesellschaft

 Erwachsenenbildung:
Schlechte Noten für die Anbieter

VON VERA BUELLER

 Jetzt werden es Jürgen Volk und René Hugger allen zeigen: Sie haben eine eigene Schule gegründet, das Netzwerk für betriebswirtschaftliche Weiterbildung in Zürich. Jahrelang hatten sie an fast allen bedeutenden Privatschulen der Schweiz unterrichtet, die Weiterbildungsprogramme und Kaderkurse führen. Sie sind dabei auf Bildungsstätten gestossen, an denen Sportartikelverkäufer Schüler auf Provisionsbasis akkreditieren und die Kurse ausschreiben, für die weder Lehrpersonal noch Infrastruktur vorhanden sind. Schulen, die für viel Geld Titel mit dem Zusatz "Höheres Wirtschaftsdiplom" vergeben, um einen Fachhochschul-Abschluss zu suggerieren. Institute, deren Inhalte für die Marketinglehre aus den 70er Jahren stammt und bei denen statt der im Hochglanzprogramm angekündigten Kapazitäten irgendwelche Studenten dozieren - darunter gar solche, die eben noch an einer anderer Schule selbst durch die Prüfung geflogen sind.

Zuletzt waren die beiden am Zürcher Kaufmännischen Lehrinstitut (KLZ) als Rektoren tätig. Auch diesem 1956 gegründeten Familienunternehmen stellen sie ausgesprochen schlechte Noten aus. Klar, dass die angeschwärzte Seite alles anders sieht: Volk und Hugger hätten das KLZ quasi feindlich übernehmen wollen und seien dabei ganz einfach gescheitert. Urplötzlich befindet sich die recherchierende Journalistin in derselben Situation wie eine kaufmännische Angestellte, die sich zur eidg. Dipl. Kauffrau weiterbilden möchte: Wie merkt sie, ob eine Schule etwas taugt oder nicht? Egal, ob es sich nun um das KLZ, um die Migros, um Benedicts oder sonst eine Lehranstalt handelt. Am besten würde sie bei allen Instituten einige Schnupperstunden absitzen. Doch das würde Monate in Anspruch nehmen. top

Gründerstimmung

Denn in der Fortbildungs-Branche herrscht im Zeitalter des lebenslangen Lernens Gründerstimmung: Wer heute seinen Arbeitsplatz sichern, einen neuen Job finden, beruflich aufsteigen oder schlicht wettbewerbstauglich bleiben will, kann sich nach Büroschluss nicht einfach der Feierabendstimmung hingeben. Bereits 1,9 Millionen Erwachsene drücken deshalb in der Schweiz abends und samstags irgendwelche Studienbänke und quälen sich durch Lektionen. Und auch hier funktionieren die Kräfte des Marktes zuverlässig - zumal jedermann ohne akademische oder pädagogische Ausbildung eine Schule gründen kann. Den Nachfragern stehen mittlerweile 350 private und halbstaatliche Anbieter mit insgesamt 5000 verschiedenen Fort- und Ausbildungskursen zur Wahl. Sie bieten Kader- und Managementschulung, Lehrgänge für KV-Abschlüsse, Vorbereitungskurse zu den eidgenössischen Berufsprüfungen mit Fachausweis oder Diplom, aber auch Phantasietitel.

Versuche, hier die Spreu vom Weizen zu trennen, gibt es genug. Sie tragen ebenso aufschlussreiche Bezeichnungen wie die zur Diskussion stehenden Schulen und Diplome, nämlich TQM, 2Q, EFQM, ISO, Q-top oder edu-QUA. Nicht zu vergessen BfW: In Worten heisst das "Bewertungsstelle für Weiterbildungsangebote" und ist ein Gütesiegel, das von der Schweizerischen Vereinigung für Qualitäts- und Managment-Systeme (SQS) vergeben wird und bereits an 53 Kursen, respektive 44 Schulen vergeben wurde. Doch weil es einfacher ist, Äpfel und Birnen mit einer Bio-Knospe zu versehen, als Bildung zu normieren, ist das Qualitätssicherungsverfahren BfW in der Branche ebenso umstritten wie die übrigen Qs und ISOs. Dabei wurden die Bewertungskriterien von keinem geringeren, als dem St. Galler Professor und Wirtschaftspädagogen Rolf Dubs erarbeitet. Nur hat er selbst die Grenzen seines Tuns - er räumt es ein - längst erkannt: "So lange wir in der Schweiz keinen einheitlichen Test wie in den USA durchführen können, ist gar kein Vergleich möglich." Wobei das Problem weniger beim einheitlichen Herangehen liegt, als bei dem Vergleich mit den USA. Das würde nämlich bedeuten, dass keine Administratoren vom Schreibtisch aus, aufgrund einer Selbstdeklaration der Schulen, deren Unterlagen und Lehrmittel ein Urteil fällen. Vielmehr müssten Wissenschaftler während Tagen vor Ort die Bildungsstätte auf Herz und Nieren prüfen, mit Schülern Interviews führen, Berichte verfassen und in öffentlichen Anhörungen erläutern. top

Qualitätskontrolle gescheitert

An etwas derart Kostspieliges und Zeitaufwändiges ist in der Schweiz gar nicht zu denken. Hier hat der Staat zwar auch einen Zertifizierungsversuch unternommen, ihn aber inzwischen wieder sistiert. Das war ein rein innerbetriebliches Akkreditierungsverfahren nach der ISO-Norm 9000 und trug den Titel Q-top. Eine Auszeichnung, die allerdings nach wie vor auf dem Markt präsent ist. Der Bund richtet jedoch sein Augenmerk längst auf eine neues Projekt, das derzeit im Kanton Zürich getestet wird. Es heisst eduQUA und wurde vom Bundesamt für Bildung und Technologie in Zusammenarbeit mit dem Secco - das ist das ehemalige Arbeitsamt Biga - kreiert. Es soll in Richtung umfassendes "Bildungscontrolling" gehen und sowohl wirtschaftliche Aspekte der Schulgestaltung und -führung sowie pädagogische Qualitäten enthalten. Doch allein die Bestimmung aussagekräftiger Indikatoren wirft noch viele unbeantwortete Fragen auf.

Offen ist vor allem, wie sich mittels Zertifizierung inhaltliche Erneuerung im Bildungsangebot bewirken lassen. Warum soll sich eine Schule überhaupt auszeichnen lassen, wenn die Studenten und Studentinnen eh kommen? Interessant wird das Gütezeichen erst, wenn es als Verkaufsargument taugt. Schon vor Jahren hatte dies Albert Stähli von der Graduate School of Business Administration (GSBA) richtig erkannt. Jedenfalls warfen ihm damals die Medien im In- und Ausland vor, allein als Marketingmassnahme - sprich zwecks Eigenwerbung - die Foundation für International Business Adminitration Accreditation (Fibaa) gegründet zu haben. Damit sollten auf europäischer Ebene einheitliche Qualitätskriterien für die Ausbildung des begehrten Master of Business Administration (MBA) und des Bachelor of Business Administration (BBA) sichergestellt werden. Die Unabhängigkeit der Experten war allerdings nicht über alle Zweifel erhaben ... und die GSBA kam bei der Rangierung auffallend gut weg. Stähli selbst wehrte sich damals mit allen juristischen Mitteln gegen die Vorwürfe. (Achtung: Zensur! Unter Androhnung rechtlicher Schritte «mussten» wir hier eine Passage, bestehend aus einem halben und einem ganzen Satz, entfernen. Ein entsprechendes Schreiben hat uns Mitte April 2002 erreicht. Es wurde vom 42-köpfigen Anwaltskonsoritum ww&p verfasst. Im Normalfall geben wir ja nicht so leicht nach. Aber in Anbetracht dessen, dass der Artikel

  1. seit März 2001 ohne Zensur hier zu lesen war und
  2. die gestrichene Passage im ersten Teil zwar eine klar kommentierende Aussage der Autorin enthielt – was juristisch nicht anfechtbar wäre –, im zweiten Teil aber der erste Teil durch die Widergabe der Position des Klienten Dr. Albert Stähli relativiert wurde und
  3. also die Aussage für den Text nicht derart relevant war, als dass sich ein juristischer Streit gelohnt hätte,

haben wir die Passage mit Vergnügen entfernt. Und natürlich werden wir nun zu diesem Thema weiter recherchieren...)

... Inzwischen wurde die Trägerschaft der Fibaa ausgetauscht. Und der Vorort setzt heute unbeirrt auf das Gütesiegel für den MBA. top

Nur wenige MBA-Titel taugen etwas

Dabei weiss man hierzulande auch ohne Fibaa, welche Institute für die Vergabe dieses prestigeträchtigen Titels etwas taugen - das IMD in Lausanne, Rochester-Bern, KS Kaderschule St. Gallen und die Universität Genf/HEC. Zudem ist der Trend, dass jeder karrierebewusste Manager den MBA haben muss, überholt. Zu viele halbbatzige Schulen haben ihn vergeben. In den USA ist der MBA Bestandteil der universitären Erstausbildung, ein praxisbezogener, zweijähriger Studiengang in General Management, den der Absolvent im Alter von 25 Jahren durchläuft. In der Schweiz ist es ein nicht geschützter Titel, den sich 35 bis 45-Jährige erwerben, um als Manager Erfolg zu haben. Dafür zahlen sie gut und gern bis zu 80'000 Franken Schulgeld.

Gratis sind die anderen Weiterbildungskurse freilich auch nicht. Und wer einen Vorbereitungskurs zum eidgenössisch anerkannten Buchhalter, Verkaufsleiter, Personalfachmann oder Marketingplaner anstrebt, zahlt obendrein auch noch hohe Prüfungsgebühren. Das Limit legen die Berufs- und Standesverbände als Träger der Prüfungen fest. Wieviel es für den neuen Beruf "Technischer Geschäftsführer" sein wird, steht noch nicht fest. Die Schätzungen liegen zwischen 3000 und 6000 Franken. Beim technischen Geschäftsführer handelt es sich eigentlich um den "Geschäftsführer KMU". Doch gegen diesen Titel erhob der Schweizerische Gewerbeverband Einspruch und trug seinen Teil zum Durchblick in der Berufsbildungsbranche bei: KMU-relevante Fragen seien allein dessen Angelegenheit.

Und wie findet sich nun die lernwillige kaufmännische Angestellte im Weiterbildungswirrwarr und Gütesiegel-Salat zurecht? Die beiden Jungunternehmer Volk und Hugger verweisen auf eine Qualitäts-Checkup-Liste im Internet auf ihrer Homepage (www.schulqualitaet.ch). Auch die Bewertungsstelle BfW hat eine solche: www.bfw.ch/checkup.html. Und sonst bleibt immer noch das Würfeln oder das Los-Ziehen.

Januar 2000

 

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