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 Haftpflicht:
Kulanz nicht um jedem Preis

 

VON VERA BUELLER

Es geschah in der Vorweihnachtszeit: Kurt Portmann* wollte sich im edlen Innenausstattungsgeschäft in der Luzerner Neustadt einen Kronleuchter aus der Nähe betrachten. Dabei fiel eine Vase aus dem Gestell auf eine Glastischplatte – beides ging zu Bruch. Der Geschäftsinhaber bestand darauf, dass der Kunde den Schaden von mehreren tausend Franken bezahlen müsse. Doch Kurt Portmann zog vor Gericht. Und er bekam Recht:  «Der Ladeninhaber muss seine Ware so ausstellen, dass sich die Kunden im Geschäft normal bewegen und Dinge anschauen können», erläutert Portmanns Rechtsanwalt Mark Steffen das Urteil des Luzerner Amtsgerichts. Es gehöre auch zum «normalen Lauf der Dinge», dass dem sorgfältigsten Menschen mal etwas aus der Hand rutschen könne oder dass er mit seiner Umhängetasche irgendwo hängen bleibe. Das sei nicht fahrlässig. Anders sehe es aus, wenn sich jemand mit vielen vollgestopften Einkaufstaschen durch Gestelle mit Porzellan zwänge. «Das könnte als fahrlässig gewertet werden», präzisiert Advokat Mark Steffen. Es komme also immer auf den einzelnen Fall an «und ist letztlich meist eine Ermessensfrage».

Ähnlich tönt es bei Maus Frères (Manor) und Coop: Kulanz ist oberstes Gebot. Dies bedeutet: Die Schäden werden intern abgedeckt. Die meisten Geschäfte haben dafür keine Versicherung. «Das lohnt sich nicht», sagt Coop-Sprecher Takashi Sugimoto. Zumal der Selbstbehalt meist höher wäre als der Schaden. Dies bestätigt Katrin Schnettler von Zurich-Versicherung: «Aber bei wertvollen Waren, Bildern oder Ausstellungen kann es Sinn machen, eine so genannte All Risk-Versicherung abzuschliessen.»
Anders sieht es für die Kunden aus: Eine Privathaftpflichtversicherung abzuschliessen, ist von Vorteil. «Sie zahlt, wenn der Kunde unabsichtlich ein Gestell mit wertvollem Porzellan umwirft. Je nach versicherter Summe sind Schäden bis zu 10 Millionen Franken gedeckt», sagt Katrin Schnettler. Zurich-Versicherung gewähre auch Deckung, wenn das Kleinkind des Kunden eine teure Vase zertrümmere. Allerdings gebe es einen Selbstbehalt für Schäden unter 2000 Franken. «Es würde sich also vermutlich nicht lohnen, ein beim Anprobieren zerrissenes T-Shirt der Versicherung zu melden.»

Bei «Aux Arts du feu» kann hingegen ein Missgeschickt schnell ins Geld gehen, etwa wenn eine Kristallskulptur im Wert von mehreren tausend Franken zu Bruch geht. Hier stösst die Kulanz an die Schmerzgrenze: «Wir haben keine Versicherung für solche Schäden», sagt die Geschäftsführerin Wendela Buchecker. Zahlen müsse also der Kunde oder dessen Versicherung, aber nur den Einstandspreis. Was dieses Geschäft von anderen unterscheidet: «Wir haben  angeschrieben ‹Don’t touch›. Unser Personal zeigt den Kunden die Ware.»

*Name geändert

Februar 2007

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