Affäre
Kohl:
Wohl denn die geistig moralische Wende
KOMMENTAR VON HEINZ
FAßBENDER
In
was für einem Land leben wir überhaupt? Da gibt es den ehemaligen Verfassungs-
und Innenminister Manfred Kanther. Über ein Jahrzehnt hinweg weiß er
von geheimen Konten, die vielleicht mit seiner Hilfe in Liechtenstein
eingerichtet wurden. Immerhin hat er gewußt, daß mehr als acht Millionen
Mark dort in Wertpapieren versteckt worden sind. Aus den acht Millionen
sind unterdessen siebzehn Millionen Mark geworden, eine Wertsteigerung
von mehr als 120 Prozent. Und immer dann, wenn die hessische CDU Geld
benötigte, begab man sich auf die Suche nach verstorbenen jüdischen
Menschen, um eine angebliche Erbschaft zu konstruieren. Hat man möglicherweise
die Auschwitzer Todeslisten durchgeforstet, um entsprechende Namen zu
finden?
Jeden kleinen ausländischen Eierdieb
hat Kanther in dieser Zeit, als er mit fast schon krimineller Energie
über Jahre hinweg seine strafbaren Handlungen beging, des Landes verweisen
wollen. Jeder Steuerzahler wäre bei der jetzt bekannt gewordenen Dimension
des Straftatbestandes durch die Staatsanwaltschaft sofort in Haft genommen
worden.
Keine Kapitalgewinnsteuer?
Wo stammen die acht Millionen her,
die Kanther mit seinen Helfershelfern anlegen konnte? Muß nicht der
normal sterbliche Steuerzahler auf sein schon versteuertes Einkommen,
das er dann gewinnbringend anlegt, Kapitalertragssteuer zahlen ?? Hat
die hessische CDU diese Kapitalertragssteuer, immerhin sind es neun
Millionen Mark Zugewinn, beim dafür zuständigen Finanzamt angegeben?
War unterdessen, wie bei jedem kleinem Unternehmer auch, die Steuerfahndung
schon in der Zentrale der Unionschristen?
Und noch eins. Lieber Herr Ministerpräsident
Roland Koch. Ehrenwert, die Mitgliedsbeiträge haben Sie vor der Wahl
erhöht, um angeblich die Wahl zu finanzieren. Im Hinblick auf die Erhöhung
sprachen Sie selbst von einer Kreditaufnahme in Höhe von 1,5 Millionen
Mark. Bei welcher Bank? Zu welchem Zinssatz? Welche Sicherheiten hatte
die CDU, um diesen Kredit zu bekommen?
Oder kam dieser Kredit von einem
Privatmann? War es nicht vielleicht doch der blaublütige Prinz von Wittgenstein?
Wo hat er dieses Geld her? Vielleicht auch aus Liechtenstein? Oder gab
es da eine tote jüdische Oma, Zwangsarbeiterin, die zuvor großzügig
von der deutschen Industrie entschädigt wurde?
Schon toll, solche Konstruktionen
eines Geldwaschweges. Hoffentlich brauchen wir kein Bürgerforum, um
schriftliche Beweise vor dem Schredder zu retten.
Nein ihr geschichtsreichen und
in europäisch-christlich Dimensionen denkenden Führungsmenschen. Ihr
habt uns die geistig moralische Wende versprochen. Ist sie etwa das?
Flucht- und Verdunklungsgefahr
Warum darf sich ein Staatsbürger
über Wochen hinweg einer Antwort auf die Frage durch Stillschweigen
entziehen, woher das viele Geld stammt, das er kofferweise abschleppte?
Wäre da nicht jeder normale Staatsbürger in Beugehaft genommen worden?
Offizielle Versionen bei ganz normalen Menschen lauten da: Flucht-
und Verdunklungsgefahr.
Und mal Hand aufs Herz. Sie, ja
Sie sind angesprochen, der kleine Unternehmer. Stellen Sie sich doch
einmal vor, Sie würden einen Koffer mit hunderttausend Mark bekommen
und würden diese Einnahme, die sie in Bar erhalten haben, nicht bei
Ihrer Steuererklärung angeben. Oder wären Sie etwa auch so dumm, das
Geld zu einer Bank zu tragen und erst drei Jahre später eine Quittung
zu verlangen? Die Bank würde Ihnen sagen: Wir wissen nicht, wo wir das
Geld haben und ob wir es überhaupt haben." Das weiß die CDU jetzt auch
nicht, wo der Hunderttausendmarkskoffer denn geblieben ist.
Gehen wir mal davon aus, immerhin
ist es ja eine christliche Union, bei "Brot für die Welt" vielleicht.??
Oder eine Schwarzgeldzahlung für Wohlverhalten eines Jungen Wilden oder
Mitarbeiters der CDU Bundeszentrale, mal so eben als Abfindung mit einher
gehendem Stillverhalten?
Was für Abgründe mögen sich an
dieser geistig moralischen Wende noch auftun?
Und lacht nicht Ihr Volksvertreter
der anderen...!
Und lacht nicht Ihr Volksvertreter
der anderen großen Volksparteien. Ja.
Sie sind angesprochen, ja Sie, der normal sterbliche Bürger! Stellen
Sie sich doch einmal vor, Sie würden zur nordrhein-westfälischen Landesbank
gehen. Sagen Sie doch einfach mal: "Ich habe Geburtstag, möchte auch
fürs Land repräsentieren. Ich habe durch meine Arbeit über Jahrzehnte
hinweg viele Steuern gezahlt und jetzt könnt Ihr mir doch mal meine
Geburtstagsfeier ausrichten!"
Was würde Ihnen die Werbeabteilung
der nordrhein-westfälischen Landesbank denn sagen? Die würden Ihnen
doch einen Husten, oder? Sie werden weder Bundespräsident, noch waren
Sie Ministerpräsident!
Angenommen Sie müßten mal ganz
schnell mit einer Schiffsschraube an den Hafen geflogen werden. Die
Landesbank mit ihrem Flugdienst steht sicher zur Verfügung. Anruf genügt!
Der Anrufbeantworter löst sich auch selbständig chemisch auf. Bezahlung:
vielleicht ein Insidertip? Kennen wir doch auch aus Köln wie man schönes
leichtes Geld verdient.
Und wenn heute Ministerpräsident
Wolfgang Clement seine Staatsbetriebe durch Kabinettsbeschluß auffordert
keine Spenden mehr an Parteien zu zahlen, dann tut eine Untersuchung
in Hinblick auf die Spendenzahlungspraxis mit öffentlicher Auftragsvergabe
an jene Staatsbetriebe höchste Not. Ist da irgendein
Staatsanwalt in Sicht?
Denn genau die SPD wirft ja auch
der CDU vor, vielleicht sogar zu recht, daß durch kleine und große Kofferübergaben
politische Entscheidungen gekauft worden sind.
Wir haben es lernen müssen: Auch
kleine Spenden erhalten die Freundschaft. Nicht wahr, Herr Clement?
Warum fordern Sie Ihre Staatsbetriebe
auf, nicht mehr zu spenden. Sie hätten die Spenden
ja nicht annehmen müssen!
Der Steuerzahler zahlt Ihre sogenannten
staatstragenden Aufgaben doch sowieso! Ich bin jetzt auch staatstragend,
erfüllt mit wichtigen Aufgaben um die geistig moralische Wende. Kann
ich auf Steuermittel hoffen?
Glauben Sie, ja Sie, immer noch,
daß alle Menschen in diesem unserem Lande vor dem Gesetz gleich sind?
Ich glaube es schon lange nicht mehr. Wohl denn die geistig moralische
Wende.
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