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 Eklat im Kunstmuseum:
Ein hilfloses schwaches Häufchen Vorstand

 

VON VERA BUELLER

 Ulrich Look kam sich vor "wie in einem afrikanischen Dorf", in dem jeder jeden kennt und keiner dem anderen auf die Füssen zu treten wagt. Jetzt muss der Direktor des Luzerner Kunstmuseums gehen. Denn Loock eckte während seiner vierjährigen Tätigkeit in Luzern immer wieder an. Er hinterfragte, forderte heraus, war stets offen für Unerwartetes, äusserste seine Meinung frank und frei - rhetorisch brillant. Heute wirft man dem hochdeutsch Sprechenden vor, er "rede zu gut". Der Vorstand der Kunstgesellschaft, die das Museum betreibt, fühlte sich jedenfalls von ihm rhetorisch "über den Tisch gezogen".

Auch sonst sparen die Museumsbetreiber nicht mit öffentlichem Tadel. Da ist von fehlendem Administrationstalent, von zu viel Spontaneität statt langfristiger Planung und von einem schwierigen Umgang mit der lokalen Kunstszene die Rede. Darf man das glauben? Die zitierte Kunstszene sieht die Situation ein wenig anders: Sie kritisiert in einem offenen Brief nicht etwa Direktor Loock, sondern den Vorstand der Kunstgesellschaft, "der sich lieber selbst lähmt und neutralisiert, als sich anregt oder antreibt, das Mögliche oder vielleicht sogar Unmögliche zu wagen. (...) Wieder einmal muss ein Macher gehen, weil ihn seine Aufsicht - ein hilfloses und schwaches Häufchen Vorstand - wie eine heisse Kartoffel fallen liess". Ulrich Loock ist schon der dritte Direktor, der in den letzten zehn Jahren aus seinem Amt gedrängt wurde.

Zu tollkühn

Dem jüngsten Opfer wurde vor allem sein dynamisches Ausstellungskonzept zum Verhängnis. Ihm schwebte eine "rollende Planung" vor, die zur Auseinandersetzung mit neuer Kunst zwingt. Explizit deshalb hatte man ihn, den Fachmann für zeitgenössisches Schaffen, einst von der Kunsthalle Bern nach Luzern berufen. Das war wohl gar tollkühn. Inzwischen ist man im kulturpolitischen Alltag angekommen und der wird von wirtschaftlichen Zwängen geprägt. top

Deutlich wurde dies mit dem Einzug des Kunstmuseums ins prestigeträchtige Kunst- und Kongresshaus (KKL) vor einem halben Jahr. Loock wandte sich mit der Eröffnungsausstellung "Mixing Memory Desire - Wunsch und Erinnerung" an ein international interessiertes Publikum. Seine Mini-Documenta fand denn auch über die Grenzen der Provinz hinaus viel Zustimmung. Kritik erntete Ulrich Loock jedoch vor Ort: Er behandle die von den Einheimischen so geliebten Sammlungsbestände des Museum stiefmütterlich. Er müsse vor allem auch diese hauseigenen Werke ausstellen. Loock konterte: Die Sammlung genüge qualitativ nicht.

Damit war er voll ins Fettnäpfchen getreten. Denn im Vorfeld zur Volksabstimmung über das Prunkstück KKL, zu dem das 25 Millionen Franken teure Kunstmuseum gehört, war die Sammlung über den Klee gelobt worden. Sie biete einen qualitativ hochstehenden Überblick über die Schweizer Kunst - von Graff, Agasse und Füssli über Böcklin, Hodler, Amiet und Giacometti bis Thomkins, von Moos und Roth. Dahinter steckte die Taktik, im einkommensstarken Kulturbürgertum der Provinzstadt Begeisterung für das Kunstmuseum und damit namhafte Gönnerbeiträge für den Neubau auszulösen. Die Rechnung ging auf.

Materiell Lage ist verzweifelt

Loocks Pech ist nun aber, dass das Kunstmuseum erneut auf jene Sponsoren angewiesen ist. Denn die materielle Lage des Hauses ist verzweifelt: Ein zwischen der Stadt, dem Kanton und der Kunstgesellschaft ausgehandelter Leistungsvertrag sieht einen Selbstfinanzierungsgrad von 30 Prozent vor, was rund 1,3 Millionen Franken pro Jahr entspricht. Mit Eintrittsgeldern und Mitgliederbeiträgen ist das nicht zu machen. Und selbst wenn dem Direktor des Museums dieses Kunststück gelingen würde, bliebe bis 2003 noch immer ein strukturelles und budgetiertes Defizit von nahezu 900'000 Franken. Der kantonale Kulturbeauftragte Daniel Huber wüsste allerdings schon, wie's zu meistern wäre: "Niemand verlangt von Herrn Loock sechs oder sieben Ausstellungen pro Jahr. Der Leistungsvertrag sieht lediglich drei vor."top

Wie aussichtslos die Lage ist, wurde der Generalversammlung der Kunstgesellschaft offenbar erst im letzten Herbst klar. Seither herrscht in den Reihen der Verantwortlichen Panik. Keine Frage, da stört ein Direktor an der Spitze des Museums, der mit seinem Konzept eine Kunst fördert, die sich gegen das (finanzstarke) Establishment wendet. Dieses ist schon schwierig genug für Sponsorenbeiträge zu gewinnen. Denn es wurde jahrelang um Beiträge für das KKL und andere Kulturbauten angebaggert. Und wenn schon, muss die Gabe mit Renommee verbunden sein: Dafür garantiert die im Aufbau befindliche Rosengartstiftung, die sich im ehemaligen Nationalbankgebäude von Luzern mit Exponaten von Klee, Miró, Cezanne, Picasso und Matisse einnistet. Das ist Kunst, zu der der Zugang heute leichter fällt.

Events sind gefragt

Von einem künftigen Museumsdirektor verlangen politisch und kulturell einflussreiche Personen Ähnliches: gefällige Ausstellungen, zu denen die Massen strömen, mit etwas mehr Unterhaltungswert. Events eben. Wenigstens "so eine richtige Sommerausstellung im Umfeld der Musikfestwochen, die ein breiteres Publikum anspricht", bringt's Daniel Huber auf den Punkt und umschreibt damit treffend die Programmpolitik des Fun- und Kommerz-Palastes KKL.

Und darum tönt denn auch die Bitte der von der Weltwoche angegangenen Kulturbeamten und -manager unisono: Bloss nicht schlecht über Luzern und seine Kulturpolitik schreiben! "Wir waren doch mit dem Bau des KKL so mutig".

Januar 2001

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