Factory Outlets:
«Einstiegsdroge» für Markenartikel

VON WINA BILLERS

Ein Anzug der Marke Hugo Boss, Schuhe von Salvatore Ferragamo, die Handtasche von Louis Vuitton oder ein Kleid von Versace? Das können sich Normalverdienende kaum leisten. Doch es gibt einen Ausweg für all jene, die Wert darauf legen, nur in Markenklamotten unter die Leute zu gehen: das Angebot in so genannten Factory-Outlets (siehe Box). Hier werden Markenartikel direkt ab Fabrik oder Lager 70 bis 25 Prozent billiger als in der Boutique verkauft. Einzige Einschränkung: Die Modelle stammen aus der letzten Saison oder haben kleine Produktionsfehler. Ansonsten ist das Sortiment – vor allem Kleider, Schuhe, Taschen, Heimtextilien, Haushalt- und Sportartikel – von hoher Qualität.
Lange Zeit hatte der Fabrikverkauf denn auch ein schmuddeliges Image. «Inzwischen haben die Hersteller erkannt, dass viele Kunden über die Outlets den Weg in die Welt der Markenartikel finden», erklärt Giorgia Tarchini, die fürs Marketing des FoxTown in Mendrisio zuständig ist, den Wandel. «Darum wollen die Markenproduzenten nicht, dass sich das Erscheinungsbild zu stark von jenem der Boutique unterscheidet.» Abgesehen von der Tatsasche, dass Outlets quasi als Einstiegsdroge fürs Label-Shopping wirken, lösen die Fabrikläden zudem ein altes Problem der Hersteller: Restbestände und veraltete oder fehlerhafte Artikel werden so kostengünstig abgesetzt, statt dass sie teuren Lagerplatz belegen. Oft wird jedoch nicht nur Überschussware verkauft. «Leider werden vereinzelt auch Artikel speziell fürs Outlet-Geschäft produziert, bestätigt Giorgia Tarchini. Das könne die Glaubwürdigkeit einer Marke erschüttern.

130 Outlets unter einem Dach

Giorgia Tarchini kennt die Szene wie kaum eine andere. Das FoxTown ist nämlich kein einzelner Fabrikladen, sondern ein riesiges  Factory-Outlet-Centrum (FOC): Auf einer Verkaufsfläche von 24‘000 Quadratmetern befinden sich 130 Läden, die über Armani, Gucci, Prada, Versace und Missoni alles bieten, was Rang und Namen hat.  Und es sollen, wenn es nach den Ausbauplänen von Vater Silvio Tarchini geht, bald noch mehr werden. Er hat auch in Rümlang und Villeneuve kleinere Factory Outlet Stores gegründet und im vergangenen Jahr in Shanghai ein FoxTown-Center eröffnet.
Das FoxTown in Mendrisio ist das grösste und erfolgreichste FOC der Schweiz (siehe Box). Mit einer Fläche von 20‘000 Quadratmetern plant  allerdings die Zürcher Miag Mutschler Immobilien AG ein ähnlich grosses FOC, das in rund anderthalb Jahren in Landquart eröffnet werden dürfte: In der Nähe des Bahnhofes wird gleich ein ganzes Dorf mit kleinen Verkaufseinheiten gebaut.

Anfängliche Skepsis

Als Silvio Tarchini 1995 in Mendrisio das erste FOC der Schweiz gründete, bestand dieses aus nur gerade 9 Läden und die Markenhersteller zeigten sich äusserst skeptisch gegenüber dieser Art des «Ramsch»-Verkaufs. Doch von Ramsch keine Spur. Heute macht das FoxTown jährlich einen Umsatz von 190 Millionen Franken. Und täglich stauen sich die Autos vor dem Einkaufstempel. Er ist vor allem für modebewusste Italiener und Japaner zum Magneten geworden. «Das liegt einerseits am Konzept, dass sich so viele Designlabels konzentriert an einem Ort befinden. Andererseits hat uns die mit dem Euro entstandene Teuerung in Italien und die hohe Mehrwertsteuer im Nachbarland geholfen», sagt Giorgia Tarchini. Nicht zu vergessen die attraktiven Öffnungszeiten, die Silvio Tarchini geschickt mit den Gewerkschaften ausgehandelt hat: Den grössten Teil des Umsatzes macht das FoxTown an den Sonntagen.  
Von der Sog-Wirkung des FoxTown profitieren auch andere Outlets im Südtessin: von Van Laak in Arzo über Navyboot bei Chiasso bis zu Zimmerli-Unterwäsche in Coldrerio. Wer von den Outlet-Angeboten richtig profitieren will, sollte allerdings nicht nur in der Schweiz suchen: Insbesondere in Norditalien gibt es attraktive Fabrikläden: Der Seta Shop in Montano Lucino etwa verkauft eine grosse Auswahl von Stoffen. In Vertemate, nur gerade 20 Kilometer von Chiasso entfernt, steht Armanis, im Stil eines Wildwest-Gerichtshauses erstellte Factory Store. Von Locarno aus gelangt man nach etwa einer Stunde nach Crusinallo di Omegna, der Alessi-Hochburg. Und natürlich bietet Mailand in diversen Hinterhöfen zahlreiche Outlets. Auch in Süddeutschland gibt es Factory Outlets (siehe Links). Dort haben sich viele auf Labels im Sportbereich spezialisiert.

Tipps und Hinweise:

• Nicht  jeder Artikel ist in jeder Grösse und Farbe erhältlich.
• Schauen Sie sich die Ware sorgfältig an: Nicht alle Fabrikverkäufe kennzeichnen die Mängel ihrer Stücke zweiter Wahl.
• Am grössten ist das Angebot zu Saisonbeginn, wenn wieder neue Ware geliefert wird.
• Erkundigen Sie sich nach den Schluss- oder Sonderverkäufen. Dann gibt es zusätzliche Rabatte. Bei manchen Anbietern können Sie sich auf eine Mailingliste setzen lassen.
• Beachten Sie die unterschiedlichen Öffnungszeiten. Norditaliens Fabrikläden sind in der Regel sonntags und montags geschlossen, beginnen meist erst um 9.30 Uhr und legen Mittagspausen bis 15 Uhr ein.
• Nehmen Sie immer auch Bargeld mit, da nicht alle Outlets Kreditkarten akzeptieren.
• Beachten Sie die unterschiedlichen Grössenbezeichnungen je nach Herkunftsland (siehe Tabellen). Probieren Sie ein Kleidungsstück an, bevor Sie es kaufen. Ein Umtausch ist meist nicht möglich.
• Viele Fabrikläden finden sich auf dem Land oder in städtischen Industriegebieten und sind nur mit dem Auto zu erreichen. Überlegen Sie sich grundsätzlich, ob die Preisreduktion die Fahrtkosten und den Zeitaufwand rechtfertigt.
• Wenn Sie im Ausland einkaufen, behalten Sie den Kassenbeleg für eine allfällige Kontrolle an der Schweitzer Grenze auf:  Die Zollfreigrenze liegt pro Person bei 300 Franken.
• Wer in der Schweiz wohnt kann die ausländische Mehrwertsteuer zurück fordern. Erkundigen Sie sich, ob das Geschäft, in dem Sie im Ausland einkaufen, dem Tax-Free-System angeschlossen ist.

Juni 2007