«Verbotenes»
Spiel :
VON BERTOLT BILLERS Die
Lösung? Die suchen seit Wochen Millionen von Menschen. Nächtelang setzen sie
Stein neben Stein. Es ist wie damals mit dem Rubik-Würfel. Und auch heute
liegt eine sture Sinnlosigkeit über dem Spiel – wenn da nicht die Aussicht
auf Gewinn wäre: Wer das Puzzle «Eternity» als erster zusammensetzt, gewinnt
eine Million englische Pfund. Das sind fast 2,5 Millionen Franken. In der
Schweiz ist die Aufgabe für Puzzle-Fans allerdings noch um einiges schwieriger
als für die Konkurrenz im Ausland. Denn sie müssen zuerst ein Geschäft ausfindig
machen, in dem sie das Spiel überhaupt kaufen können. Franz Carl Weber beispielweise
vertreibt es trotz Ankündigung des Importeurs nicht. Dabei handelt es sich bei «Eternity»,
- glaubt man der Werbung - um «die grösste Herausforderung des nächsten Jahrtausends».
Sie besteht darin, 209 Puzzleteile in ein mitgeliefertes Zwölfeck einzupassen.
Ähnlich dem Intelligenztest für Kleinkinder, bei dem sie ein viereckiges Klötzchen
in eine viereckige Vertiefung, eine Kugel in ein Loch und ein Dreieck in die
richtige Form setzen müssen. Die Bestandteile von «Eternity» bauen alle auf
Dreiecken auf. Und das ist deshalb kein Kinderspiel, weil jeder Stein sich
so ziemlich an jeder Stelle einfügen lässt. Weder Form noch Farbgebung geben
Aufschluss darüber, wo und wie die Puzzleteile zusammengesetzt werden müssen.
Vermutlich merkt man erst am Schluss, bei den letzten zwei noch einzupassenden
Steinen, dass die ganze Sache nicht aufgeht. Dann beginnt alles wieder von
vorn. Einen Vorgeschmack auf drohende schlaflose Nächte vermittelt das Internet
mit einem Minitest (www.eternity-puzzle.co.uk). Margaret Thatcher soll ob dem Puzzle
an den Rand des Wahnsinns getrieben worden sein – was im nachhinein so manches
erklärt. Der Erfinder des Spiels, Christopher Monckton, war nämlich Berater
der eisernen Lady. Und er hatte ihr, als er 1986 seinen Dienst quittierte,
eine 12teilige, in Silber geschnittene Version geschenkt. Jahre später soll
sie ihn in einem Brief angefleht haben, ihr doch bitte die Lösung zu liefern.
Und dies brachte Monckton auf die Idee, das Spiel auszubauen, auf den Markt
zu bringen und eine Million Pfund Belohnung für die Lösung auszuschreiben.
Bis im Herbst 2003 gilt dieses Angebot. So gesehen ist «Eternity» das Erbe
von Maggie Thatcher – oder auch deren Rache an der Menschheit. In der Schweiz gibt es jedoch einen Spielverderber und der heisst Lotteriegesetz. Es verbietet Wettbewerbe und Preisausschreiben, wenn damit ein Kaufzwang verbunden ist. Die Nation soll damit vor unnützen Ausgaben - die man einzig wegen Gewinnaussichten tätigt - geschützt werden. Beim «Eternity»-Puzzle wären es 85 Franken. Das Raffinierte dabei: Als Ansporn gibt es das Spiel mit nur 10, 14 oder 20 Teilen für 19.90 bis 59 Franken zu kaufen. Mit der Lösung dieser Light-Versionen sind jeweils «Schlüssel» verbunden, die darüber Auskunft geben, wo ein bestimmter Stein im grossen Puzzle liegt. Ob irgendein Glückspilz die Lösung, quasi per Zufall, längst gefunden, erfährt der Konsument frühestens im September 2000. Und gibt es bis dann keinen Gewinner, im Herbst 2001, 2002 oder erst 2003. Gewiss fragt sich nun der geübte Wettbewerbsteilnehmer,
warum es beim geltenden Schweizer Recht möglich ist, auf X Getränkedosen Wettbewerbtalons,
in Zeitschriften Rubbelkarten oder Bingolose für Glücksspiele zu vertreiben?
Der Trick besteht darin, dass man die jeweiligen Teilnahmekarten immer auch
gratis beim Veranstalter bestellen kann oder aber auf das Preisausschreiben
nicht ausdrücklich hingewiesen wird. So stellen denn auch die «Eternity»-Vertreiber
entsprechende Verrenkungen an, um die Rechtssprechung ad absurdum zu führen:
Das Puzzle kann gratis beim Hersteller in England bezogen werden. Aber nur
auf Papier und als Schnittmuster, die 209 Formen zum Ausschneiden. Dass es
keinen Kaufzwang gibt, werde - behauptet die Generalimporteurin Retima AG
- vom Fachhandel in den 15 Geschäften, wo das Spiel in der Schweiz verkauft
wird, verbreitet – auch im Internet auf deren Homepages. Einen solchen Online-Hinweis
findet man aber nur bei «Eternity» in England. Dabei bietet gerade das Internet die Chance, sämtliche Gesetze zu umschiffen. Sobald «Eternity» nämlich online gekauft wird, ist nicht mehr klar, welches Landesrecht gilt. Ist dafür der Standort des Servers ausschlaggebend oder der Homepage-Besitzer oder kann gar der Provider, der den Zugang ins Internet sicherstellt, zur Verantwortung gezogen werden? Franz Carl Weber kümmert’s wenig. Der Konzern hat seine Konsequenzen aus «Eternity» längst gezogen. Anfangs hatte er das Puzzle noch im Sortiment geführt. Doch die Kunden brachten es nach wenigen Tagen zurück, weil sie sich betrogen fühlten. Nachdem sie die Schachtel geöffnet hatten, fanden sie im Innern den Hinweis, dass es für das Puzzle gar keinen Kaufzwang gebe. Nun stand der Spielwarenkonzern vor der Wahl, entweder «Eternity» nicht mehr zu vertreiben oder den Kunden weiterhin zu beschummeln. Oder aber ihn vor dem Kauf darauf hinzuweisen, dass er die Millionen Pfund auch gratis haben könnte. September 1999
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