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 Tierschutz:
«Das Erbe für die Katz?»

VON ZELDA BARBONCINO

 Eine alte Signora humpelt die Treppe zur Kirche hinauf. In den Händen hält sie ein Einmachglas in dem drei Goldfische zappeln. Zwischen und auf den Kirchenbänken wartet schon die Gemeinde: Schildkröten, Meerschweinchen, ein Papagei, Katzen, Rassehunde und Promenadenmischungen. Es ist der 4. Oktober in Rom: An diesem Tag – dem Fest des Schutzheiligen der Tiere, Franz von Assisi – segnete Don Mario Canciani bis vor kurzem jedes Jahr Dutzende von Hunden, Kätzchen und anderes Getier.

Das Wirken des Monsignore hatte auch die 1997 verstorbene Luzerner Millionärin Marie-Louise Erlenmeyer beeindruckt: Die von ihr noch zu Lebzeiten gegründete Stiftung segnete ihn mit Geld. Heute wird die 20 Millionen Franken reiche Erlenmeyer-Stiftung von TV-Moderator Kurt Aeschbacher präsidierte und widmet sich dem Artenschutz im engeren Sinne – etwa der Schaffung eines neuen Nationalparks.

Es ist nur eine von vielen Stiftungen, die sich der Tierwelt verschrieben haben. Ausserdem sterben in der Schweiz jährlich etwa 65'000 Menschen und vermachen schätzungsweise 150 Millionen Franken an gemeinnützige Organisationen. Gemäss einer Studie des Forschungsinstituts GfS beschenken 23 Prozent der regelmässigen Spender eine Tierschutzorganisation. Vor allem die so genannten Legate oder Vermächtnisse haben seit Anfang der 90er Jahre stetig an Bedeutung gewonnen. Letztes Jahr nahm der Zürcher Tierschutz 2,66 Millionen Franken aus Legaten ein, was 61 Prozent der Einnahmen entsprach. Auch bei «Pro Tier» machen die Erbschaften rund die Hälfte des Einkommens aus, beim Tierschutz beider Basel gar bis zu 80 Prozent. Die offenbar wachsende Tierliebe erklärt der Katzenpapst und Verhaltensforscher Dennis Turner damit, «dass Tiere heute für viele Menschen ein echter Sozialpartner sind». top

 

Schwarzgeld willkommen

Um die Tierliebhaber an der Stange zu halten, werben die meisten Tierschutzorganisationen aktiv um Nachlässe. Sie starten «Mailing-Aktionen», verfassen Testament-Ratgeber oder bieten persönliche Hilfe für das Abfassen des letzten Willens an. Der Zürcher Tierschutz hat gar ein neues Finanzierungsinstrument geschaffen: Das zinslose Darlehen, das nach dem Tod in ein Legat umgewandelt werden kann und soll. Eine allenfalls notwendige Rückzahlung haben die Tierschützer durch eine Grossbank abgesichert.

Ein heikles Geschäft, geht es doch darum, die Gratwanderung zwischen Ethik und Wettbewerb mit anderen Organisationen zu meistern. Rechtsanwalt Hans H. Schmid, Präsident des Zürcher Tierschutzes, hat damit indes keine Probleme, selbst wenn es sich um Schwarzgeld handeln sollte. Ab und zu gingen nämlich von Banken Überweisungen ein mit dem Vermerk «spezielle Vermögensverwaltung – im Auftrag eines ungenannt sein wollenden Kunden». Das sei in der Regel Geld aus dem Ausland oder unversteuertes Vermögen. Hunderttausende von Franken lägen hier noch brach. «Dies ist ein Feld, das Tierschutzvereine beackern sollten - mit reinem Gewissen. Erstens fliesst das Geld wieder in den Wirtschaftskreis zurück; zweitens entlasten wir durch Betreuung von Tieren den Staat.» Eine derartige «Geldwäsche im guten Sinne» sei nicht nur moralisch vertretbar, sondern auch legal, meint Schmid, «das habe ich juristisch abgeklärt».

Das Bundesamt für Polizei gibt ihm Recht: Nicht die Beschenkten, sondern die Banken oder Treuhänder müssen abklären, woher das Geld stammt und gegebenenfalls an die Meldestelle für Geldwäscherei gelangen. Handelt es sich um hinterzogene Steuern, müssen sie überhaupt nichts unternehmen, da Steuerhinterziehung kein Strafdelikt ist. top

 

Erbe in Konkursmasse statt zu den Tieren

Keine Frage, mit Hans H. Schmid ist der Zürcher Tierschutz im zunehmend härter werdenden Kampf um Spendengelder gut gerüstet. Er gilt als eine der schillerndsten Figuren in der Zürcher Anwaltsszene und sorgt immer wieder für Schlagzeilen. Unter anderem führten Honorarzahlungen auf ein Luxemburger Konto zu Streit mit dem Schweizer Tierschutz STS. Die Fehde eskalierte mit dem Austritt der Zürcher Sektion aus dem Dachverband.

Als am 15. Juni 1995 die gut betuchte Johanna Weingartner starb, ging es ebenfalls hart auf hart. Sie hatte den Zürcher Tierschutz zu ihrem Alleinerben bestimmt. Der Geldsegen war aber mit der Auflage verbunden, monatlich 2000 Franken an Herbert Utzinger für dessen Tierambulanz zu überweisen. Doch der Willensvollstrecker vertrat die Ansicht, dass das Geld nicht für die Schuldentilgung der finanziell kriselnden Tierambulanz gedacht sei. Ein langer Rechtshändel begann und 1998 hiess das Bezirksgericht Zürich die Klage Utzingers auf Auszahlung der Gelder vollumfänglich gut. Zu einem Urteil der nächsten Instanz kam es nicht mehr, da die Tierambulanz inzwischen pleite war. Der Konkursverwalter handelte einen Vergleich aus: Rund 60'000 Franken Erbschaftsgelder flossen in die Konkursmasse statt zu den Tieren.

Monica Locher, die zusammen mit ihrem Mann und mit Ex-Tagesschausprecher Léon Huber das Tierheim Utzigers gerettet und eine neue Tierambulanz gegründet hat, versteht die Welt nicht mehr: «Es heisst doch immer so schön „im Sinne des Verstorbenen“. Wie kann dann aber bei einem Konkurs Geld, das testamentarisch für Tiere bestimmt war, für eine Schuldentilgung verwendet werden?» Ihr Ärger ist verständlich, denn weitere Gelder, die aus Erbschaften stammten und insgesamt mehr als 110'000 Franken ausmachten, flossen in den Konkurs Utzingers. top

 

600'000 Franken Honorar für den Notar?

Auch die mit der Abwicklung eines Nachlasses beauftragten Willensvollstrecker greifen manchmal zu. 700000 Franken machten unlängst zwei von ihnen bei einem einfach gelagerten Fall geltend, erzählt Hans H. Schmid. In einen anderen Gerichtsfall im Tessin war alt Ständerat und Anwalt Franco Masoni verwickelt. Es ging darum herauszufinden, welches Testament des an Alzheimer erkrankten Marchese Ferdinando Pica Alfieri gültig war. Auf Anraten seines Beistandes, Franco Masoni, hätte sein Vermögen von mehr als 50 Millionen Franken einer Stiftungen übertragen werden sollen – deren Stiftungsrat aus der Familie Masoni bestand. Angeblich sollte sich die Stiftung auch dem Tierschutz annehmen. Ergebnis nach langem Juristenstreit: Die Tiere gingen leer aus.

Oft führen auch Formulierung des Testaments zu Missverständnisse und Streitereien. Was tun, wenn eine Institution bedacht wird, die sich im Berner Oberland Hunden annimmt – dort aber gar keine solche existiert? Und wer ist gemeint, wenn «der Tierschutz» erben soll? Einer der 57 Tierschutzsektionen oder der Dachverband Schweizer Tierschutz, «Vier Pfoten», «Pro Tier», der Bund gegen Vivisektion, der Verein gegen Tierfabriken?

Oder aber die Zweckbestimmung ist im Testament zu eng abgefasst: So kam zwar der Schweizer Tierschutz STS in den letzten Jahren immer wieder zu grossen Erbschaften – den Rekord hält das Jahr 2000 mit 4,15 Millionen Franken – aber oft ist das Kapital gesperrt (nur die Zinsen dürfen verwendet werden, was derzeit kaum Gewinn abwirft) oder zweckgebunden – etwa für Findeltiere, für Grossprojekte und Katastrophenhilfe, für die Verbesserung des Tierschutzgesetzes. Auch bringen teuer zu renovierende Liegenschaften, die vererbt werden, mehr Lasten als Freuden. Manchmal bleibt auch «nur» ein Tier als Erbmasse zurück – etwa ein alter Dackel beim Aargauischen Tierschutzverein, der sich nicht mehr vermitteln lässt..

Kasten: Die Katze erbt die Mäuse?

Buchtipp:: Antoine F. Goetschel, Gieri Bolliger: «Das Tier im Recht - 99 Facetten der Mensch-Tier-Beziehung von A bis Z», erschienen im Herbst 2003 beim orell füssli-Verlag, Zürich, Preis: 49 Franken Internet

Web-Tierrecht: www.tierimrecht.org/

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